Zahl der Scheidungen gestiegen

Wiesbaden/Berlin (dpa) - Erstmals seit Jahren haben sich wieder etwas mehr Bundesbürger scheiden lassen. Im vergangenen Jahr endeten rund 149 000 Ehen durch einen richterlichen Beschluss, knapp 1000 mehr als 2018, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte.

Das leichte Plus von 0,6 Prozent sei die erste Zunahme seit dem Jahr 2012. Die Statistik macht noch keine Aussage über mögliche Auswirkungen der Corona-Einschränkungen in diesem Jahr. Experten zufolge steht eine regelrechte Welle an Trennungen bevor.

Im Schnitt waren die vergangenes Jahr geschiedenen Männer und Frauen 14 Jahre und 10 Monate verheiratet. Rund 17 Prozent hatten zuvor bereits die Silberhochzeit hinter sich gebracht, wie das Bundesamt berichtete. Vor 25 Jahren seien Ehen noch nach durchschnittlich 12 Jahren und 5 Monaten geschieden worden. Ein Grund ist den Angaben zufolge der damals niedrigere Anteil geschiedener Langzeitehen: 1994 hatte sich nur rund jedes zehnte Paar im Jahr der Silberhochzeit oder danach scheiden lassen.

Oft endet nicht nur die Beziehung, sondern die ganze Familie bricht entzwei: In etwa der Hälfte der Scheidungsfälle lebten vergangenes Jahr noch nicht erwachsene Kinder im Haushalt, insgesamt waren den Angaben zufolge etwa 122 000 Minderjährige betroffen.

Erstmals erfasst wurden Scheidungen gleichgeschlechtlicher Ehepaare, hier wurden 100 registriert. Sie mit eingerechnet, waren Männer vergangenes Jahr bei der Scheidung im Schnitt 46,6 Jahre alt, Frauen 44,4.

Die Steigerung von 2018 auf 2019 hält der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger für zu gering, um aussagekräftig zu sein. «Generell erleben wir seit Jahren, dass Ehen im Schnitt länger dauern als früher. Die Beziehungen sind besser geworden, weil die Partner selbstständiger und die Frauen finanziell unabhängiger sind», sagt der Buchautor zum Thema Liebe und Partnerschaft. Entscheidend sei die Balance von Nähe und Distanz: «Sie ist die Ursuppe dafür, dass eine Beziehung lebendig bleibt. Wenn jeder auch ein Eigenleben hat, dann bleibt die Partnerschaft spannend.»

Doch dann kam das Coronavirus. Geschlossene Kitas, Schulen, Spielplätze und zusätzlich das Homeoffice hielten Familien und Paare wochenlang in beengten Verhältnissen fest. Die Nachwirkungen, die auch andere Experten befürchteten, seien sehr beunruhigend, sagt der Psychologe: Vor allem nach Ende der Urlaubszeit in einigen Wochen werde ein starker Anstieg von Trennungen erwartet. Scheidungsanwälte hielten sich schon Termine frei.

Die Berliner Familienrechtlerin Alicia von Rosenberg hatte der Deutschen Presse-Agentur zuvor bereits von «unheimlich vielen Anfragen» zu Scheidungen berichtet. Auch Maren Otto, Paar-Therapeutin in Hannover, sprach von einem größeren Andrang, die Anfragen stiegen um etwa ein Viertel - ausgerechnet in der Zeit, als Therapeuten wegen der Pandemie nicht arbeiten durften und telefonisch berieten.

«Während der Hochphase von Corona gab es durch die Zwangsnähe eine radikale Belastung für Beziehungen. Viele werden gedacht haben: Ich gebe der Beziehung im Urlaub noch einmal eine Chance. Doch so kommt man von einer Zwangsnähe in die nächste», sagt Krüger. Die befürchtete Trennungswelle könne bis zu fünf Mal höher ausfallen als dies nach der Urlaubszeit normalerweise der Fall ist. Gehe man von üblicherweise 100 000 Trennungen nach den Sommerferien aus, würde dies bedeuten, dass einer halbe Million Beziehungen das Aus droht.

Das Statistik-Bundesamt veröffentlichte am Mittwoch absolute Zahlen, die nicht in Relation zu den rund 416 300 Eheschließungen des Jahres stehen. Wie viel Prozent der Ehen scheitern, lässt sich deshalb aus ihnen nicht ablesen. Zahlen des Jahres 2018 zeigen, dass in knapp jedem dritten Fall die Scheidung eingereicht wurde.

Familie / Gesellschaft / Statistik / Scheidungen / Ehe / Deutschland
15.07.2020 · 13:28 Uhr
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