Wulff will Migranten mehr in die Pflicht nehmen

Ankara/Berlin (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff hat vor dem Parlament in Ankara eine stärkere Eingliederung türkischer Einwanderer gefordert. «Sie gehören zu unserem Land», sagte Wulff am Dienstag inmitten der hitzig geführten Zuwanderungsdebatte.

Die Mitbürger türkischer Herkunft seien «herzlich willkommen», müssten sich allerdings verantwortungsvoll in die deutsche Gesellschaft einbringen. Zwischen Union und FDP ging unterdessen der Streit um die Zuwanderung insbesondere von Fachkräften weiter.

Die islamischen Länder rief Wulff auf, Christen die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen. «Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei», sagte Wulff, der als erstes deutsches Staatsoberhaupt eine Rede vor dem Parlament in Ankara hielt. Am 3. Oktober hatte er am Tag der Deutschen Einheit Aufsehen erregt mit seiner Feststellung: «Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.»

In einem Interview mit der türkischen Zeitung «Hürriyet» sprach sich Wulff gegen einen Zuzugstopp aus der Türkei aus, wie ihn CSU- Chef Horst Seehofer verlangt hatte. «Zu behaupten, eine ganze Gruppe könne und wolle sich nicht integrieren, halte ich für falsch.» Seehofer zeigte sich in München unbeirrt: «Ich werde diese Meinung beibehalten.»

Der türkische Präsident Abdullah Gül warnte vor einer politischen Instrumentalisierung der Migrationsdebatte in Deutschland. Nötig seien mehr Hilfen etwa beim Erlernen der deutschen Sprache. «Jetzt sehen wir, wo in der Vergangenheit die Fehler gemacht wurden», sagte Gül.

Vor den Abgeordneten sprach Wulff die Probleme von Zuwanderern mit islamischem Hintergrund direkt an. «Dazu gehören das Verharren in Staatshilfe einiger, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung.» Er ergänzte: «Durch multikulturelle Illusionen wurden Probleme regelmäßig unterschätzt.» Dies seien aber «beileibe» nicht nur Probleme von Einwanderern. An die Adresse der nach Deutschland ausgewanderten Türken sagte Wulff: «Als ihr aller Präsident fordere ich, dass jeder Zugewanderte sich mit gutem Willen aktiv in unsere deutsche Gesellschaft einfügt.»

Niemand solle seine kulturelle Identität aufgeben oder seine Herkunft verleugnen, sagte Wulff. Zuwanderer müssten aber die Menschenwürde, die freie Meinungsäußerung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den religiös und weltanschaulich neutralen Staat achten. Muslime könnten in Deutschland ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren. Die zunehmende Zahl der Moscheen zeuge hiervon.

«Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen», betonte Wulff. In allen Ländern sollten die Menschen die gleichen Rechte und Chancen genießen. «Hier in der Türkei hat das Christentum zweifelsfrei eine lange Tradition.»

Die Türkei rief Wulff auf, den Weg nach Europa fortzusetzen. Deutschland sei an einer Anbindung der Türkei an die Europäische Union besonders interessiert, sagte der Bundespräsident. Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt würden «in einer fairen und ergebnisoffenen Weise» geführt.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sowie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin lobten die Rede Wulffs. «Der Beitrag türkischer Zuwanderer für Deutschland ist nicht wegzudenken, und wir sind ihnen zu Dank verpflichtet», sagte Trittin.

Zwischen Union und FDP ging der Zuwanderungsstreit am Dienstag weiter. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lehnte das von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) geforderte Punktesystem für ausländische Fachkräfte strikt ab. Im ZDF warf er Brüderle indirekt einen zu wirtschaftsfreundlichen Ansatz vor: «Es geht aber um Menschen, und nicht darum, dass den Arbeitgebern wie gebratene Tauben zu Billiglöhnen irgendwelche Leute zugeführt werden vom Staat.» Ihn ärgere, dass das Zuwanderungsrecht schlecht gemacht werde.

Der Innenminister begrüßte das geplante Gesetz zur beschleunigten Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Laut Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) soll es Anfang 2011 in Kraft treten und bis zu 300 000 Fachkräften mit ausländischen Wurzeln die Anerkennung erleichtern.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich in Indien distanziert zur Absage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an eine «Multikulti»-Gesellschaft in Deutschland. In Neu Delhi sagte er, =Zuwanderer müssten die Regeln beachten. «Wenn sie unsere Werte und Gesetze akzeptieren, dann können sie auch ihre ursprüngliche Kultur und Religion praktizieren.»

Im Streit um angebliche Integrationsverweigerer nannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zahlen: Wegen Krankheit, Betreuung von Familienangehörigen oder einer Arbeitsaufnahme erscheint rund jeder fünfte Migrant nicht zum verpflichtenden Integrationskurs - die meisten holen es aber später nach.

Linke und Grüne warnten vor den am Vortag von der Koalition angekündigten Sanktionen gegen angebliche Integrationsverweigerer. Ausgrenzung führe zu weniger Integration. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, warnte, die Integrationsdebatte könnte ausländische Studenten abschrecken.

Rede Wulff vor dem Parlament in Ankara

International / Bundespräsident / Türkei / Deutschland
19.10.2010 · 18:36 Uhr
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