Wulff will Afghanistan nicht im Stich lassen
Kabul (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff hat bei einem Staatsbesuch in Afghanistan dem Land deutsche Unterstützung auch nach dem Abzug der internationalen Truppen zugesagt.
Bei einem Mittagessen mit Präsident Hamid Karsai, der ihn am Sonntag als «alten Freund Afghanistans» begrüßte, sagte Wulff: «Deutschland und die internationale Gemeinschaft werden Ihr Land, Herr Präsident, auch nach 2014 nicht im Stich lassen.» Millionen Afghanen wollten den Frieden, daher müsse ihnen die Welt zu Seite stehen.
Nach Gesprächen in Kabul reiste Wulff nach Nordafghanistan weiter. Am Bundeswehrstandort Masar-i-Scharif gedachte er im Ehrenhain der in Afghanistan ums Leben gekommenen deutschen Soldaten. In Gesprächen mit den deutschen Truppen wollte er sich über die Sicherheitslage informieren.
Masar-i-Scharif ist das Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe Isaf im Norden des Landes. Die Bundeswehr hat das Kommando in dieser Region. Wulff wird vom Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker begleitet. In Afghanistan sind derzeit rund 5000 deutsche Soldaten stationiert.
Wulff war am Vormittag zu einem Staatsbesuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul eingetroffen. Unmittelbar nach der Ankunft sprach er mit Vertretern der Zivilgesellschaft über die Menschenrechtslage und die Situation der Frauen im Land. Zudem stand die politische Zukunft Afghanistans nach dem Nato-Abzug Ende 2014 im Mittelpunkt.
Karsai empfing den Bundespräsidenten mit militärischen Ehren. Im Mittelpunkt der Unterredung beider Staatsoberhäupter stand die Vorbereitung der Bonner Konferenz Anfang Dezember. Die Bundesrepublik sei an dauerhaften stabilen Beziehungen interessiert, auch «weil wir die gute Entwicklung (der letzten Jahre) anerkennen», sagte Wulff. Karsai bedankte sich, ausdrücklich auch beim deutschen Steuerzahler, für die Hilfe und sagte, in Bonn solle das Fundament für die Zukunft Afghanistans gelegt werden.
Gleichzeitig mahnte Wulff einen entschlossenen Kampf gegen den Terror an. «Afghanistan und die internationale Gemeinschaft dürfen keine Mühen scheuen, um Terror und Gewalt gegen unschuldige Menschen zu beenden.» Wulff kritisierte auch Kriminalität, Drogenwirtschaft und Korruption, die zehn Jahre nach dem Beginn des internationalen Einsatzes immer noch das Leben in vielen Bereichen bestimmten.
Wulffs Reise ist der erste Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten am Hindukusch seit 44 Jahren. Zuletzt war Bundespräsident Heinrich Lübke 1967 zu einem offiziellen Besuch in Kabul. Aus Sicherheitsgründen war die Reise Wulffs vorher nicht angekündigt worden.
Bei dem Gespräch mit afghanischen Menschen- und Bürgerrechtlern machte Wulff deutlich, dass die bessere Verwirklichung der Menschenrechte in Afghanistan für Deutschland ein zentrales Anliegen sei. «Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der afghanischen Zivilgesellschaft», sagte er.
Vertreter von Frauenorganisationen äußerten sich bei der Unterredung jedoch besorgt, dass Errungenschaften im Kampf gegen die Diskriminierung nach dem Abzug der internationalen Truppen gefährdet sein könnten - vor allem wenn es zu einem politischen Ausgleich zwischen Regierung und radikal-islamischen Kräften komme. Die Internationale Gemeinschaft und Afghanen wollen über diese und andere Fragen auf der Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn beraten.
Es ist Wulffs erster Aufenthalt in dem Land. Bundeskanzlerin Angela Merkel war zuletzt im Dezember vorigen Jahres in Afghanistan. Mit dem Abzug der Bundeswehr soll Ende dieses Jahres begonnen werden.
Im Mai 2010 hatte Wulffs Vorgänger Horst Köhler deutsche Soldaten in Afghanistan besucht. Mit Karsai traf er damals nicht zusammen, was zu einer gewissen Verärgerung der afghanischen Seite führte. Wenig später war Köhler nach umstrittenen Äußerungen über das deutsche Militärengagement am Hindukusch zurückgetreten.