Widerruf und Wahrheit: Was ist ein Dementi wert?

Hamburg (dpa) - Das Dementi ist in der Kulturgeschichte eines der schillerndsten Kommunikationsmittel überhaupt. In der Mediengesellschaft verwirren Dementis immer öfter.

«Manches Dementi gleicht dem verzweifelten Versuch, die Zahnpasta wieder in die Tube zurückzubekommen», sagte einst Kay Lorentz, der gemeinsam mit seiner Frau Lore das Düsseldorfer Kabarett-Theater «Kom(m)ödchen» gründete. Theater ist vielleicht auch das richtige Stichwort, wenn es um das Drama bei Porsche geht. Der Fall Wendelin Wiedeking fügt sich gut ein in eine Reihe spektakulärer Widerrufe. Vor einer Woche wurde sein Abgang noch «hart dementiert». Nach wenigen Tagen ist er nun doch Wirklichkeit. Was hat es damit auf sich?

Das Wort Dementi stammt aus dem Französischen (démentir = hinfällig machen, verleugnen, Lügen strafen). Bedeutung: «offizielle Berichtigung, Widerruf einer Nachricht oder Behauptung». Der französische Diplomat Saint-John Perse (1887-1975) ließ sich einst zu der Aussage hinreißen: «Ein Dementi ist nach den Spielregeln der hohen Politik ein halbes Eingeständnis einer ganzen Dummheit.»

Berühmte Beispiele der deutschen Nachkriegsgeschichte: Zwei Monate vor dem Mauerbau 1961 tritt der DDR-Staatschef Walter Ulbricht Gerüchten entgegen und behauptet: «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.» 1987 sagt der damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel, nachdem schmutzige Wahlkampftricks der CDU Schlagzeilen gemacht haben: «Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.»

Doch es gibt Dementis eben nicht nur in der Politik. Auch in der Wirtschaft oder dem Sport dienen sie immer öfter dazu, eine Diskrepanz zwischen öffentlicher Darstellung und interner Sachlage herzustellen. Fußballfans denken beispielsweise an den Abgang Jürgen Klinsmanns bei Bayern München vor einigen Monaten.

Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) soll gesagt haben, er glaube eine Nachricht erst, wenn sie formell dementiert wurde. Bei Porsche lautete am 15. Juli ein Dementi des Firmensprechers auf die Frage, ob Wiedeking Porsche jetzt verlasse: «Das ist falsch und das ist Mobbing.» Zu diesem Zeitpunkt nicht unrichtig. Die eigentliche Frage war ja, wie lange ist er noch da.

Vielen ist noch das Dementi von Bill Clinton im Ohr, er habe «keine sexuelle Beziehung mit dieser Frau, Miss Lewinsky» gehabt. Das konnte man bei einer enggefassten Definition von Sex sogar als wahre Aussage bezeichnen.

Auch bei anderen Dementis lohnt es sich, genau auf den Wortlaut zu achten. Der Sprecher des Bundesverbands deutscher Pressesprecher, Roland Stahl, sagt: «Wenn Sie etwas zu früh bestätigen, setzt das eine Lawine in Gang, die nicht mehr gestoppt werden kann.» Es komme für Firmensprecher deshalb eigentlich darauf an, Situationen zu vermeiden, die ein Dementi erfordern.

In einer komplizierten Gemengelage von Hierarchien, Clans und Presse sei dies aber nicht immer einfach. Wenn es dann soweit sei und man als Sprecher allein auf weiter Flur stehe und etwas dementieren müsse, komme es auf den Wortlaut an, um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhalten: «Ein Dementi sollte nicht eine bewusst gesetzte Lüge sein. Das heißt: Die eigentliche Aussage des Dementis sollte keine Lüge sein.»

Doch daran haben sich sogar Heilige nicht gehalten. Das wahrscheinlich berühmteste Dementi aller Zeiten kommt in der Bibel vor, wenn Petrus dementiert, Jesus zu kennen. Es war die Angst, das Bekenntnis könnte für ihn tödlich sein.

Apropos Tod: Immer wieder gern zitiert - zum Beispiel im vergangenen September von Apple-Chef Steve Jobs - ist ein Dementi des Schriftstellers Mark Twain (1835-1910). 1891 gab er nach einem verfrühten Nachruf kurz und knapp zu Protokoll: «Die Berichte über meinen Tod sind stark übertrieben.»

Auto / Porsche / VW / Gesellschaft
23.07.2009 · 23:03 Uhr
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