Verfassungsschutzpräsident gibt nach Pannen Amt auf

Berlin (dpa) - Nach schweren Pannen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie räumt Verfassungsschutzchef Heinz Fromm seinen Posten. Der 63-Jährige bat am Montag Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach zwölfjähriger Amtszeit um Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zum 31. Juli.

Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass Verfassungsschützer Akten zur rechten Szene geschreddert hatten, nachdem die Zwickauer Neonazi-Zelle aufgeflogen war. Friedrich (CSU) kam der Bitte Fromms nach. Als Nachfolger ist der derzeitige Vizepräsident Alexander Eisvogel im Gespräch.

Der Innenminister erklärte, Fromm sei über das Fehlverhalten von Mitarbeitern seiner Behörde im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie selbst überrascht und erschüttert. Der CSU-Politiker kündigte eine grundsätzliche Überprüfung der Aufgabenstellung und Arbeitsweise des Inlands-Geheimdienstes an. «Insofern werden wir alles tun, um das Vertrauen der Bevölkerung, des Parlaments und aller, die mit dem Verfassungsschutz zu tun haben, wiederherzustellen.»

Die Neonazi-Mordserie hatte den Verfassungsschutz im vergangenen Herbst in eine der schwersten Krisen seiner Geschichte gestürzt. Nach der Aufdeckung der Aktenvernichtung verschärfte sich die Kritik an dem Geheimdienst noch einmal deutlich. Das Bundesamt will an diesem Dienstag einen weiteren Bericht dazu vorlegen.

Fromm selbst schwieg zunächst zu seinen genauen Beweggründen für den Rückzug. An diesem Donnerstag wird er dem Bundestags-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Im aktuellen «Spiegel» hatte er gesagt, durch die Aktenvernichtung sei «ein erheblicher Vertrauensverlust und eine gravierende Beschädigung des Ansehen des Amtes eingetreten». Laut «Spiegel Online» soll er bereits am Donnerstag seinen Rücktritt angeboten haben, aber zunächst abgewiesen worden sein. In einem Jahr wäre Fromm, der nächste Woche 64 Jahre alt wird, aus Altersgründen ausgeschieden.

Zur Nachfolge wollte sich Friedrich zunächst nicht äußern. Es gebe keinen Anlass, nun Hals über Kopf Entscheidungen zu treffen. Einer von mehreren Kandidaten ist der 46 Jahre alte Eisvogel, der an der Aufklärung der Pannen im Zusammenhang mit den Neonazi-Morden beteiligt ist. Auch Leiter von Landesverfassungsschutzämtern sind im Gespräch.

Die Opposition im Bundestag wertete den Rückzug Fromms als konsequent. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, der Schritt sei nicht nur politisch anständig, sondern richtig und notwendig. Fromm übernehme damit die Verantwortung für ein nicht zu rechtfertigendes Verhalten seiner Mitarbeiter. «Dennoch bedauere ich, dass Heinz Fromm sein Amt so knapp vor dem Ruhestand auf diese Weise verlässt», sagte Steinmeier.

Nach Einschätzung der Grünen war die Aktenvernichtung nur einer von mehreren Fehlern des Verfassungsschutzes bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie. Der Rücktritt Fromms sei notwendig und unvermeidlich gewesen, sagte Fraktionschefin Renate Künast.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), bedauert den Rücktritt. «Fromm war kein Heißsporn, sondern ein solider Sachwalter zum Schutze der Verfassung, ein nüchterner Analytiker und guter Behördenleiter», sagte er der Zeitung «Die Welt». Er sei kein «James Bond des Verfassungsschutzes» gewesen.

Aus dem Innenausschuss und dem Parlamentarischen Kontrollgremium kamen verstärkt Forderungen nach einer umfassenden Reform des Verfassungsschutzes. Die Linksfraktion verlangte die Auflösung der Behörde. «Der Verfassungsschutz hat nicht nur Fehler gemacht, er ist der Fehler», erklärte die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke.

Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Die Opfer waren neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Erst nach Jahren kamen die Ermittler der Zelle im vergangenen Herbst auf die Spur. Seitdem sind die Sicherheitsbehörden massiven Vorwürfen ausgesetzt. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags soll Aufklärung bringen.

Extremismus / Kriminalität
02.07.2012 · 18:40 Uhr
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