Venezuela im Fokus: Maduro und der internationale Balanceakt
Wie geht man mit einem Autokraten um, der eine Wahl manipuliert, seine Gegner ins Gefängnis wirft und die internationale Gemeinschaft ignoriert? Diese Frage stellt sich aktuell den USA und der EU im Fall von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, der den als Wahlsieger anerkannten Edmundo González ins Exil nach Spanien zwang.
Dieser Schritt war ein herber Rückschlag für die Opposition, die weiterhin darauf pocht, dass González im Januar als Präsident Venezuelas eingesetzt wird. Denn auf Basis von über 80 Prozent der gesammelten Stimmzettel der Wahllokale hatte González gegen Maduro mit einem Verhältnis von mehr als zwei zu eins gewonnen.
Trotz der kämpferischen Worte der Opposition, dürfte González aufgrund der massiven Repressionen seitens Maduro auf absehbare Zeit im Exil bleiben. Washington und Brüssel reagierten zunächst nur mit diplomatischen Bekundungen. Antony Blinken, US-Außenminister, verurteilte Maduros Aktionen und forderte ein Ende der Repressionen. Josep Borrell, der oberste Diplomat der EU, sicherte dem venezolanischen Volk Unterstützung in ihren demokratischen Bestrebungen zu.
Ein Sprecher des Weißen Hauses teilte mit, die USA überlegten "verschiedene Optionen", um Maduro die Konsequenzen seines Regimes vor Augen zu führen. Doch leichte Lösungen gibt es nicht: Weder die Trump-Ära-Sanktionen noch die Anerkennung Juan Guaidós als legitimer Präsident Venezuelas im Jahr 2019 konnten Maduro entmachten.
In diesem Jahr lag der Fokus auf Wahlen und Diplomatie, doch Christopher Sabatini vom Think-Tank Chatham House meint, die USA und Europa hätten den Veränderungswillen innerhalb der Maduro-Regierung überschätzt. Stattdessen zeigte sich die Regierung vereint und gut vorbereitet auf weitere Repressionen.
Mit Unterstützung der USA versuchen Brasilien und Kolumbien Maduro in Verhandlungen über politische Veränderungen zu verwickeln, im Austausch für Schutzgarantien für ihn und seinen inneren Kreis. Doch bislang zeigt Maduro keinerlei Interesse an Gesprächen.
Diplomaten rechnen damit, dass die USA in den kommenden Tagen zusätzliche Sanktionen gegen venezolanische Beamte ankündigen könnten, die für die manipulierten Wahlergebnisse und die Nachwahl-Repression verantwortlich sind. Allerdings dürfte Washington, mit Blick auf die bevorstehenden US-Wahlen im November, kaum zu drastischeren Maßnahmen greifen. Immerhin hat die Biden-Administration im April weitreichende Ölsanktionen gegen Caracas wieder eingeführt, allerdings mit Ausnahmen für bestimmte Ölunternehmen wie Chevron, was die venezolanische Ölproduktion erheblich gesteigert hat.
Einige Experten drängen jedoch auf eine härtere Linie. „Die Biden-Administration muss handeln“, sagt Ryan Berg vom CSIS. „Wenn wir nicht einlenken, wird die venezolanische Opposition das Gefühl haben, komplett im Stich gelassen zu werden.“
Maduro hält zudem noch ein weiteres As im Ärmel: Flüchtlinge. Fast 8 Millionen Menschen sind seit seinem Amtsantritt 2013 aus Venezuela geflüchtet. Kurz vor den US-Wahlen möchte das Weiße Haus eine neue Migrantenwelle an der südlichen Grenze vermeiden.
Lateinamerikanische Diplomaten setzen vorerst weiterhin auf Vermittlungsbemühungen, trotz Maduros mangelndem Interesse. Doch was kommt als Nächstes? Tom Shannon, ehemaliger Top-Beamter des US-Außenministeriums, sieht zwei Szenarien: Die Konsolidierung einer repressiven Diktatur oder ein Volksaufstand wie 1989 in Rumänien.
Er schließt jedoch: "Das wahrscheinlichste Szenario ist der Status quo."