
US-Wahlkampf - Das Duell der First Ladys
Was wäre ein US-Wahlkampf ums Präsidentenamt ohne die Unterstützung der Kandidaten-Frauen? Nur halb so spannend. In diesem Jahr könnten die amtierende First Lady und die, die es werden will, kaum unterschiedlicher sein. Hier Michelle Obama, die seit vier Jahren gemeinsam mit Präsident Barack Obama im Rampenlicht steht und sich auf politischem Parkett makellos souverän bewegt; dort Ann Romney, die diese Routine erst noch lernen muss, sich als Mutter der Nation an der Seite von Herausforderer Mitt Romney aber bereits einen Namen gemacht hat. Wer sind diese Frauen und wie wichtig sind sie für den Wahlkampf?
Michelle Obama: Power-Lady und Fashionista
Sie ist die erste afroamerikanische First Lady in der Geschichte der USA und bei den Amerikanern beliebter als ihr Mann. Wie er steht Michelle Obama für den Prototypen des amerikanischen Traums: Aus ärmlichen Verhältnissen hat sie es mit eigener Kraft bis nach ganz oben geschafft. Der Weg vom Problemviertel in Chicago über die Eliteunis Princeton und Harvard bis zur Anwaltskanzlei war steinig, aber nicht ungehbar. Eine Story, die sich gut vermarkten lässt - das weiß auch Michelle Obama selbst. Deshalb baute sie ihre Rede beim Nominierungsparteitag der Demokraten geschickt darauf auf, nicht zuletzt um den Kontrast zur Millionärsfamilie Romney deutlich zu machen.
Im Umgang mit der Öffentlichkeit ist die 48-Jährige so professionell wie kaum eine andere vor ihr. Immer topgestylt hat Michelle Obama es zu einer Art Stilikone gebracht, wirkt dabei aber stets natürlich und gibt sich volksnah. Neben der Unterstützung ihres Mannes, für dessen Amt sie ihren lukrativen Job als Krankenhausmanagerin an den Nagel hängte, betreut die First Lady zahlreiche eigene Projekte wie etwa die Kampagne «Let's Move» für einen gesünderen Lebensstil. Da passt es ins Bild, dass sie im selbst angelegten Gemüsegarten des Weißen Hauses regelmäßig Schüler empfängt, um ihn zu erweitern.
Für die Teenie-Töchter Malia und Sasha nimmt sich Michelle Obama trotz der Verpflichtungen eigenen Angaben zufolge die nötigen Auszeiten. Das macht sie in den Augen vieler Amerikaner zu einer modernen Allrounderin. Ihre Zufriedenheitswerte lagen zuletzt bei 69 Prozent und damit weit vor denen ihres Mannes (56 Prozent). Mit einer Charme-Offensive, wie sie die First Lady in dieser Woche begonnen hat, könnte Michelle Obama dem Präsidenten jene Sympathiepunkte verschaffen, die ihm zur Wiederwahl noch fehlen. Denn längst ist ihre Popularität Teil der Wahlkampfstrategie geworden. Das gilt auch für ihr Äquivalent aus dem republikanischen Lager, Ann Romney.
Ann Romney: Hausfrau und Mutter aus Überzeugung
Sie verkörpert aus Sicht der Republikaner das perfekte Bild der fürsorgenden Mutter und Gattin. Denn Ann Romney zog die gemeinsamen fünf Söhne groß, während ihr Mann und Obamas Herausforderer Mitt Romney Karriere machte. Beide stammen aus wohlhabenen Elternhäusern, Ann Romneys Vater war Bürgermeister im Schulort der später Vermählten. Sie unterbrach ihr Studium für ihn, trat zum mormonischen Glauben über und übernahm die Familienarbeit, während er in der Investmentbranche Fuß fasste und schließlich in die Politik strebte. Eine klare und bewusste Rollenverteilung, wie Ann Romney selbst betont.
Gegen Vorwürfe, die Millionärsgattin habe für ihren Lebensstil nie hart arbeiten müssen, wehrt sie sich: «Glaubt mir, es war harte Arbeit», ließ sie ihre Kritiker auf Twitter wissen. Ihr Mann ist ihr größter Bewunderer, bezeichnet sie als Kämpferin, auch weil die 63-Jährige sich weder von ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung noch vom Brustkrebs unterkriegen ließ. Als First Lady wolle sie sich in der Prävention beider Krankheiten engagieren, wie sie es bereits in Massachusetts getan hat. Noch kommt ihr aber vor allem eine Funktion auf der politischen Bühne zu: Sie soll es menscheln lassen, dem oft hölzern wirkenden Mitt Romney etwas Schmalz und Herz verleihen.
Folgerichtig betonte Ann Romney bei ihrer Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in der vergangenen Woche, welch netter und vertrauenswürdiger Mann ihr Gatte sei. Mit ihrer herzerweichenden Kennenlerngeschichte eroberte sie die Herzen im Saal im Sturm. Kitsch as Kitsch can. So hatte es auch Michelle Obama im Wahlkampf 2008 gemacht, als sie über ihre wilden Zeiten mit Barack Obama sprach. Doch Ann Romney, die das Rampenlicht lange scheute, wirkt dabei weniger extrovertiert, manchmal fast schüchtern, wenn auch nicht minder passioniert als ihre Kontrahentin.
Michelle Obama toppt sie alle
Anders als sie kann oder will es sich Michelle Obama nicht mehr leisten, nur über Liebe und nicht über Politik zu sprechen. Denn die Hoffnung, mit der die erste Amtszeit ihres Mannes verbunden war, ist verflogen. Eine hohe Arbeitslosigkeit und Rekordschulden haben sie eingeholt. Deshalb hat die First Lady dem Präsidenten in dieser Woche nicht nur als Mensch, sondern auch als Politiker den Rücken gestärkt, und das so deutlich wie selten zuvor. Sie hob seine Erfolge hervor, teilte gegen Kritiker und indirekt auch gegen Konkurrent Romney aus und bewies damit fast mehr Kampfgeist als Barack Obama bei seiner Rede zwei Tage danach.
Nach vier Jahren im Weißen Haus weiß Michelle Obama eben, was sie zu tun hat. Bei Beobachtern hat sie das Fernduell mit Ann Romney klar für sich entschieden. Energischer und volksnäher, hieß es in den Zeitungen. Vor allem letzteres dürfte bei vielen Wählern der Mittelschicht zum Zünglein an der Waage werden und auf den Vergleich bodenständige Obamas versus abgehobene Romneys hinauslaufen. Da können schon so banale Dinge wie eine 1000-Dollar-Bluse, die Ann Romney bei einem TV-Auftritt trug und die ihr scharfe Kritik einbrachte, entscheidend sein.
Das wiederum zeigt, wie wichtig die Ehefrauen und das Bild, das sie von sich, ihren Männern und Familien vermitteln, im Wahlkampf sind. So sehr sich Michelle Obama und Ann Romney in dieser Aufgabe ähneln, so unterschiedlich packen sie sie an. Das ist nicht nur Taktik, sondern Resultat unterschiedlicher Herkünfte und gegensätzlich gelebter Rollenbilder. Die verhelfen vor allem den Obamas, obwohl auch sie mittlerweile Millionäre sind, noch immer wie die nette Familie von nebenan zu wirken - Michelle Obama sei dank. Ann Romney hat sie fast uneinholbare 30 Prozent bei den Sympathiewerten voraus. Ob sich das am Ende auch in den Wählerstimmen ihres Mannes niederschlägt, wird sich am 6. November zeigen.