Unions-Politiker versuchen wütenden Merz zu besänftigen

27. Oktober 2020, 22:05 Uhr · Quelle: dpa

Berlin (dpa) - Nach heftigen Attacken des CDU-Vorsitzkandidaten Friedrich Merz gegen die Parteispitze wegen der Verschiebung des Parteitages sind führende Unions-Politiker um Deeskalation bemüht.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak versicherte, der Grund, die Entscheidung über den Parteivorsitz ins neue Jahr zu verschieben, sei die Corona-Infektionslage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief dazu auf, jetzt zu der Entscheidung gemeinsam zu stehen. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, zeigte Verständnis für die Enttäuschung des einen oder anderen. Diese werde sich bald legen, und dann würden die Kandidaten wieder genauso friedlich und respektvoll miteinander umgehen wie zuvor.

Der Bundesvorstand hatte am Vortag beschlossen, dass der geplante Präsenzparteitag am 4. Dezember in Stuttgart mit 1001 Delegierten angesichts der stark steigenden Infektionszahlen nicht mehr zu halten sei. Wenn auch Anfang des neuen Jahres kein Präsenzparteitag möglich sei, solle ein digitaler Parteitag abgehalten werden. Fehle dafür noch eine gesetzliche Grundlage, solle es einen digitalen Parteitag mit Vorstellungsrunde und eine anschließende Briefwahl geben. Das könnte eine Verzögerung nach sich ziehen bis ins Frühjahr hinein.

Merz hatte nach dem Beschluss in mehreren Interviews der Parteiführung massive Vorwürfe gemacht. Teilen des «Parteiestablishments» hielt er erneut vor, ihn als CDU-Chef verhindern zu wollen. Die Absage des Wahlparteitages sei «der letzte Teil der Aktion "Merz verhindern" in der CDU», sagte der 64-Jährige.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der sich ebenfalls für den CDU-Vorsitz bewirbt, hatte für eine Verschiebung plädiert. Dritter Kandidat für den CDU-Chefposten ist der Außenexperte Norbert Röttgen, der die Verschiebung als notwendig akzeptierte. Merz sagte der «Welt»: «Ich habe ganz klare, eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern.»

Laschet sagte in Düsseldorf, es sei verständlich, «dass bei einer solchen Kandidatur auch Emotionen im Spiel sind». Die CDU müsse aber «ruhig und besonnen« bleiben. Die Parteien müssten in der Corona-Pandemie Vorbild sein und könnten nicht mit 1000 Delegierten zu einem Parteitag zusammenkommen. Das sei die «einzige Motivation» für die Verschiebung des Parteitags gewesen.

Ziemiak versuchte im Deutschlandfunk, den einen oder anderen Kritikpunkt von Merz zu entkräften. So gab Merz zu bedenken, dass am 7. Dezember die Mandate vieler Parteitagsdelegierter endeten. Ziemiak sagte, wenn Delegierte aufgrund der Infektionslage nicht neu gewählt werden könnten, blieben sie im Amt.

Ein weiterer Einwand von Merz: Es laufe die Amtszeit des jetzigen Vorstandes aus. Die Regierung brauche aber ein Parlament und dieses wiederum arbeitsfähige Parteien. Ziemiak sagte, im kommenden Jahr sei die Situation so, dass der Vorstand im Amt bleibe. Man werde den Parteitag - gemeinsam mit den Vorsitzkandidaten - in den nächsten Wochen vorbereiten. «Da können sich alle drauf verlassen.»

Dobrindt warnte indessen davor, einen falschen Zungenschlag in die jetzige Debatte zu bringen. Er könne das Votum für die Verschiebung nachvollziehen. Aber auch andere Entscheidungen seien möglich gewesen. Aber «jetzt muss man auch zu so einer Entscheidung gemeinsam stehen.» Sonst erwecke man den Eindruck, das persönliche Anliegen stehe über dem Gesamtwohl. Die CDU sei voll arbeitsfähig. Mit Blick auf die Vorwürfe von Merz sagte der CSU-Politiker, grundsätzlich gelte: «Die Kunst, höchste Ämter zu bewältigen, ist doch, das Unerwartete zu beherrschen.»

Es gehe im nächsten Jahr um die Frage des Kanzlerkandidaten. «Das ist die entscheidende Frage», sagte Dobrindt. Die CSU sei ohnehin der Meinung, dass der Kanzlerkandidat im Laufe des ersten Halbjahres 2021 gefunden werden sollte.

Merz sagte am Montagabend im ZDF-«heute journal» und in den ARD-«Tagesthemen», es gehe nicht um seine Person, er habe seit zwei Jahren gute Umfragewerte, dies bleibe auch weitere Wochen und Monate so. Es gehe um die Arbeits- und Handlungsfähigkeit der Partei.

Zustimmung bekam Merz von der konservativen Werteunion und vom früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Juristen aus den Reihen der Werteunion prüften Möglichkeiten, die Verschiebung anzufechten, teilte die Organisation am Dienstagabend mit. Die Wahl eines Vorsitzenden bis ins nächste Jahr auszusitzen, sei «völlig inakzeptabel». Mit dem Begriff «Willkür» sei das Vorgehen des Parteivorstandes noch höflich beschrieben. Koch stellte sich in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ebenfalls hinter Merz und kritisierte Äußerungen Laschets, ein Parteitag im Dezember sei nicht vermittelbar.

Der heutige hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der auch stellvertretender CDU-Bundesvize ist, bezeichnete die Kritik von Merz als «wirklich albern, falsch und widersinnig». Die Entscheidung über die Verschiebung habe nichts mit Personen zu tun, sagte Bouffier der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Mittwoch). Einen solchen Parteitag trotz Corona im Dezember abzuhalten, sei von allen Beteiligten abgelehnt worden. Auch ein digitaler Parteitag an mehreren Standorten sei schnell verworfen worden. «Wenn dann auch nur ein einziges Gesundheitsamt sagt, das geht nicht, wäre die ganze Veranstaltung umsonst gewesen. Da gab es keine Diskussion, da waren sich alle einig: Das lassen wir sein.»

Parteien / CDU / Corona / Covid-19 / Friedrich Merz / Parteitag / Deutschland
27.10.2020 · 22:05 Uhr
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