Ungewisse Zeiten für den NHS: Verwirrung über Prioritäten im Winterchaos
Der britische National Health Service (NHS) bereitet sich auf einen der geschästigsten Winter seiner Geschichte vor, doch Unsicherheit bei den Prioritäten der Regierung sorgt für Unruhe. Gesundheitsführer fordern von den Ministern klare Aussagen zu den erforderlichen Kompromissen, um die Leistungsziele zu erreichen.
Der Premierminister Sir Keir Starmer hat kürzlich das Ziel bekräftigt, dass 92 Prozent der NHS-Patienten in England innerhalb von 18 Wochen nach Überweisung mit einer nicht dringenden Behandlung beginnen. Ebenso hat Gesundheitsminister Wes Streeting ehrgeizige Pläne zur Erfüllung der Leistungsziele des „gebrochenen“ Dienstes innerhalb der nächsten fünf Jahre angekündigt, während er umfassende Reformen für die Gesundheitsversorgung anstrebt.
Die Zielvorgaben werden allerdings seit fast einem Jahrzehnt verfehlt, und trotz hoher Wartelisten hat Streeting diese Woche in einem Notfalltreffen die Anweisung gegeben, die dringendsten Fälle vor Notaufnahmen zu priorisieren – zumindest bis März. Ein Krankenhausdirektor beschrieb die Lage als "massive Verwirrung", da zwar von Reformen und einer Verlagerung zur präventiven Medizin die Rede sei, jedoch gleichzeitig bestehende Zielvorgaben erfüllt werden sollten.
Streeting hat drei große Veränderungen versprochen: den Übergang von Krankenhaus- zu Gemeindebehandlungen, von Krankheit zu Prävention und von analog zu digital. Doch ein Krankenhausleiter äußerte Skepsis, dass alles für das 18-Wochen-Ziel aufgewendet werde und andere Bereiche leer ausgingen.
Gegenwärtig sind durchschnittlich 96.587 Krankenhausbetten täglich belegt und lange Wartezeiten in Notaufnahmen sowie Rückstände im Sozialwesen verschärfen die Problematik. Zudem warnen NHS-Leiter vor einem "Quad-Demic" aus Covid-19, Grippe, Norovirus und respiratorischem Synzytial-Virus.
Siva Anandaciva, leitender Analyst bei der Denkfabrik King's Fund, erläuterte, dass die Unsicherheiten bezüglich der Zielvorgaben im kommenden Winter stressig für das Gesundheitssystem seien. Finanzdirektoren seien dabei unsicher, wie sie den Ausgleich zwischen dem 18-Wochen-Standard und den Bedürnissen der Notaufnahmen finden sollen.
Seit der Einführung des 18-Wochen-Ziels durch die Labour-Regierung 2004 wurde es zuletzt im Februar 2016 erreicht. Auch das Versprechen, 95 Prozent der Patienten innerhalb von vier Stunden in Notaufnahmen zu behandeln, wird konstant verfehlt.
Lord Ara Darzi warnte in einem Bericht, dass es unwahrscheinlich sei, die Wartelisten bis zum Ende der aktuellen Legislatur zu klären. Das Vereinigte Königreich investiert weniger in den Gesundheitssektor als viele andere Industriestaaten, was auch die Zahl der Krankenhausbetten betrifft.
Anandaciva sieht die Zielvorgabe als Bremsklotz für Streetings Reformpläne. Indes soll ein Zehnjahresplan für den NHS im Frühjahr vorgestellt werden, wobei bereits 40.000 zusätzliche Routinehospitaltermine pro Woche vorgesehen sind.
Mark Dayan von der Nuffield Trust erklärte, dass Starmers Fokussierung auf das 18-Wochen-Ziel auch Auswirkungen auf andere Prioritäten des NHS habe. Ein langfristiger Plan muss daher umfassende Kompromisse in den nächsten vier bis fünf Jahren einschließen, um ehrlich auf die Herausforderungen zu reagieren.