Um was es bei der Klima-Strategie der Bundesregierung geht
Berlin (dpa) - Monatelang ist gerechnet, verhandelt, abgewogen worden. Nun ist der Tag der Entscheidung da: das Klimakabinett der Bundesregierung will an diesem Freitag eine Strategie vorlegen, wie es in Deutschland im Kampf gegen die Erderhitzung weitergehen soll.
Es geht um einen Plan, um die Ziele beim Einsparen von Treibhausgasen für das Jahr 2030 zu erreichen.
Am Donnerstag bereits sickerte ein 138 Seiten umfassendes Papier für ein «Klimaschutzprogramm 2030» durch, das aber politisch noch nicht abschließend abgestimmt war. Überraschend taucht in dem Entwurf eine Zulassungsquote für Elektroautos und ein Verbot neuer Ölheizungen ab 2030 auf.
Erwartet wurde aber, dass die Spitzen der Koalition am Donnerstagabend und in der Nacht und dann das Klimakabinett am Freitagvormittag zunächst Eckpunkte eines Plans vorlegen, knapp 30 Seiten - die Details dürften nochmal ein paar Tage später kommen.
Und selbst dann ist noch nicht alles in Stein gemeißelt. Denn das meiste braucht als Gesetz oder Verordnung den Segen des Bundestags und des Bundesrats, also der Bundesländer.
Es ist eine Gratwanderung. Wissenschaftler sagen katastrophale Folgen voraus, wenn es im jetzigen Tempo weiter geht mit der Erderhitzung - der Dürresommer 2018 hat vielen Menschen bewusst gemacht, dass auch Deutschland nicht verschont bliebe. Fridays for Future und andere Protestbewegungen haben Zulauf. Die großen Umweltverbände luden schon für Montag zu einer Pressekonferenz ein, Titel zunächst: «Nach dem Versagen des Klimakabinetts». Wenig später heißt es dann doch etwas neutraler: «Nach dem Klimakabinett».
Andererseits haben viele Menschen Angst um ihren Job, ihren Lebensstandard, alte Gewohnheiten. Die Koalition will einen Mittelweg finden: Handeln ja, aber niemanden überfordern. Darum geht es:
CO2-PREIS: Oder auch die Frage, wie Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und Kohle teurer werden sollen. Das soll die Leute dazu bringen, klimafreundliche Autos und Heizungen zu kaufen, und Unternehmen motivieren, mehr davon zu entwickeln. Ob der Ausstoß des Treibhausgases CO2 nun über eine Steuer oder über den von der Union präferierten, komplizierteren Handel mit Verschmutzungsrechten teurer wird, macht aus Verbrauchersicht erst mal keinen Unterschied. Die Frage ist, wann es damit los geht, bei welchem Preis pro Tonne CO2 man startet und wie schnell es teurer wird. 35 Euro würden etwa bedeuten, dass der Liter Diesel 11 Cent teurer wird.
ENTLASTUNG: Über den CO2-Preis nimmt der Staat Geld ein. Das soll zurück an die Bürger gehen - oder zumindest Klimaschutz finanzieren. Aus der von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorgeschlagenen Pro-Kopf-Prämie wird eher nichts, dafür soll zumindest mittelfristig der Strompreis sinken, indem zum Beispiel die Ökostrom-Umlage nicht mehr mit der Stromrechnung bezahlt werden muss. Die Verteilungswirkung ist Experten zufolge ungefähr die gleiche. Auch für Pendler soll es Entlastungen geben, etwa eine höhere Pendlerpauschale, darauf pocht vor allem die Union. Es gehe darum, der AfD keine Steilvorlage zu geben, heißt es.
ANREIZE: Wer sein Zuhause so modernisiert, dass der Energiebedarf sinkt, kann schon jetzt Förderung beantragen. Die Angebote sollen aber attraktiver und einfacher werden. Für alte Ölheizungen könnte es eine Abwrackprämie geben, die sogenannte energetische Gebäudesanierung soll steuerlich gefördert werden. Die Prämie für E-Autos dürfte steigen - und bei der Pkw-Steuer soll künftig auch noch mehr sparen, wer klimafreundlich unterwegs ist.
RAHMENBEDINGUNGEN: Die Bürger sollen Elektro- oder Wasserstoff-Autos fahren, besser noch Bus, Bahn oder Fahrrad. Dafür braucht es mehr Schienen und Buslinien, bessere Taktung, günstige Tickets, Radwege, mehr Ladesäulen und Fortschritte in der Forschung an alternativen Kraftstoffen. Der Bund will dafür viel Geld ausgeben und zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr senken und Kommunen unterstützen. Eine höhere Ticketsteuer soll das klimaschädliche Fliegen verteuern.
VORGABEN: Ist der Einbau neuer Ölheizungen irgendwann verboten? Oder gelten dann einfach so hohe Umweltstandards, dass sie nicht mehr eingebaut werden können? Mit dem Thema Ordnungsrecht - oder auch Verbote - tun die Koalitionäre sich besonders schwer. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat aber schon erkennen lassen, dass es ohne Vorgaben nicht gehen werde.
KONTROLLE: Und wenn es nicht reicht? Wenn das Ziel, bis 2030 den deutschen Treibhausgas-Ausstoß von derzeit rund 866 Millionen Tonnen auf 563 Millionen Tonnen zu senken, nicht erreicht wird - nämlich um insgesamt 55 Prozent im Vergleich zu 1990? Es soll Regeln dafür geben, wie die Fortschritte überwacht werden, und wie man notfalls nachsteuert, mit einem höheren CO2-Preis oder neuen Programmen.
ÖKOSTROM-AUSBAU: Wo Autos mit Strom fahren statt mit Diesel oder Benzin, steigt der Strombedarf - und wenn es klimafreundlich zugehen soll, muss dieser Strom aus Sonne, Wind, Wasser und nachwachsenden Rohstoffen kommen. Das offizielle Ziel: Ökostrom soll bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent haben. Gerade sind es etwa 38 Prozent. Union und SPD streiten seit Monaten über die Schlüsselfrage, wie und wo mehr Solaranlagen und Windräder gebaut werden sollen. Vor Ort gibt es oft heftige Proteste. Umstritten sind vor allem Regelungen zum Abstand von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern.
FINANZIERUNG: An der «schwarzen Null», dem ausgeglichenen Haushalt, rüttelt die Bundesregierung nicht - dabei dürften die Pläne schon bis 2023 schon mehr als 40 Milliarden Euro kosten. Über den CO2-Preis kommt Geld rein, im Energie- und Klimafonds gibt es noch Geld. Und der Bund könnten sich mit Klima-Anleihen Geld von den Bürgern borgen.