Ukraine überschattet Spanien-Besuch von Bundeskanzler Scholz

Diplomatie
Bei seinem Antrittsbesuch in Spanien besucht Bundeskanzler Scholz einen politischen Freund. «Mi amigo Olaf», nennt Ministerpräsident Sánchez seinen Gast. Doch in Madrid stand trotzdem ein Konflikt im Mittelpunkt.

Madrid (dpa) - Die Zuspitzung des Ukraine-Konflikts hat auf der ersten Auslandsreise des Jahres von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Spanien alle anderen Themen in den Schatten gestellt.

Scholz und auch der Gastgeber, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, riefen die russische Regierung am Montag in Madrid eindringlich dazu auf, eine Deeskalation des Konflikts voranzutreiben. Die Lage an der ukrainisch-russischen Grenze sei «sehr, sehr ernst» und beunruhige die Regierungen in Berlin und Madrid, betonte der Kanzler.

Zur Forderung der Ukraine nach Waffenlieferungen aus Deutschland äußerte sich Scholz zurückhaltend. Die Bundesregierung handele in dieser Frage «sehr einheitlich». «Und dazu gehört auch einheitlich in der Kontinuität dessen zu stehen, was deutsche Regierungen in dieser Frage in der Vergangenheit klug auf den Weg gebracht haben», sagte er. Jetzt müsse es darum gehen, «alles dafür zu tun, dass es nicht zu einer militärischen Intervention kommt». Jede militärische Intervention würde allerdings «einen hohen Preis haben».

Seit Beginn des Konflikts wurden keine Waffen an Kiew geliefert. Vor dem Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock hatte es aber seitens der Ukraine aus Sorge vor einer russischen Invasion erneut eindringliche Forderungen nach deutschen Waffenlieferungen gegeben. Scholz und auch Sánchez beschränkten sich darauf, mit Nachdruck auf die territoriale Integrität der Staaten und die Unverletzlichkeit der Grenzen hinzuweisen, die, so Sánchez, «Moskau akzeptieren muss».

Dank für Einsatz bei EU-Finanzhilfen

Beim Treffen der Sozialdemokraten im Madrider Palacio de la Moncloa, dem Sitz der spanischen Regierung, gab es auch Raum für positive Rück- und Ausblicke. Sánchez bedankte sich bei «mi amigo Olaf», «meinem Freund Olaf», für die Unterstützung des damaligen Bundesfinanzministers Scholz bei den Verhandlungen über die EU-Finanzhilfen zur Überwindung der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Der heutige Bundeskanzler habe «dabei eine führende Rolle gespielt».

Die EU-Staaten hatten im Sommer 2020 ein 750 Milliarden schweres Programm vereinbart, um die tiefe Corona-Wirtschaftskrise zu überwinden und wichtige Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Spanien, das zu Beginn der Pandemie besonders schwer getroffen wurde, stehen daraus nicht zurückzahlbare Hilfen und Kredite in Höhe von insgesamt etwa 140 Milliarden Euro zu. Deutschland spielte eine wichtige Rolle bei der Einigung auf das Hilfspaket, das auch durch gemeinsame Schulden finanziert wird.

Ökologische Transformation

Deutschland will gemeinsam mit Spanien die ökologische Transformation in der Energiepolitik voranbringen. «Spanien und Deutschland sind beide sehr ehrgeizig. Wir wollen erreichen, dass wir schnelle Fortschritte machen bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien», sagte Scholz. Es handele sich um eine «wirtschaftliche Zukunftstechnologie». Wichtig sei es, europaweit ein gutes Netz aufzubauen, das die Nutzungsmöglichkeiten der erneuerbaren Energien voranbringe.

Der Chef der linken Minderheitsregierung in Madrid, dessen sozialistische Arbeiterpartei PSOE eher sozialdemokratisch denn sozialistisch eingestellt ist, hob unterdessen hervor, Europa stehe vor «dringenden Aufgaben»: den ökologischen wie den digitalen Umbau zu schaffen und gleichzeitig mittelfristig die Stabilität der öffentlichen Finanzen zu wahren. «Die Taxonomie muss wirklich grün sein. Es geht nicht um die Frage, welcher Energiemix angemessen ist, sondern darum, welche Investitionen wir für wirklich grün halten, um die Klimaneutralität zu erreichen», sagte er.

Corona: «Spanien kein Vorbild für Deutschland»

Bezüglich der erfolgreichen Impfkampagne in Spanien (Scholz sprach von einem «Modell») und der von seiner Regierung deshalb angestrebten Lockerung des Umgangs mit Corona betonte Sánchez: «Kein Land kann anderen Ländern Lektionen erteilen». Spanien wolle und solle auch Deutschland nicht als Vorbild dienen. In Spanien stehe die Einführung einer Impfpflicht wegen der guten Impfquote (mehr als 80 Prozent aller Bürger haben dort einen vollständigen Grundschutz) zwar nicht zur Debatte. Aber: «Die Frage einer Impfpflicht ja oder nein muss jede Regierung für ihr Land treffen, weil jede Gesellschaft unterschiedlich auf die Debatte über das Impfen reagiert.»

Spanien ist nach Frankreich, Polen und Italien das vierte Land, in dem Scholz einen Antrittsbesuch absolviert. Außerdem hatte der SPD-Politiker sich im Dezember in Brüssel bei der Europäischen Union und der Nato vorgestellt. Spanien ist nach Deutschland, Frankreich und Italien das Land mit der viertgrößten Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft in der EU.

Regierung / Diplomatie / EU / Corona / Olaf Scholz / Pedro Sánchez / Spanien / Deutschland / Europa
17.01.2022 · 18:55 Uhr
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