Ukraine-Krise: USA versetzen Soldaten in Bereitschaft

Diplomatie
Aus Angst vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine verlegen mehrere Nato-Mitglieder weiteres Militär nach Osteuropa. Der Kreml spricht von «Hysterie» im Westen - und von einer «großen Gefahr».

Moskau/Brüssel/Washington (dpa) - Wegen der Ukraine-Krise hat die US-Regierung nach Angaben des Verteidigungsministeriums rund 8500 Soldaten in den Vereinigten Staaten in erhöhte Bereitschaft versetzt.

Ministeriumssprecher John Kirby betonte am Montag aber, eine Entscheidung über eine Verlegung dieser Truppen nach Europa sei noch nicht getroffen worden. Die entsprechenden Einheiten seien auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden und nach Empfehlung von Verteidigungsminister Lloyd Austin in erhöhte Bereitschaft versetzt worden.

«So sind sie darauf vorbereitet, auf eine Bandbreite von Eventualitäten zu reagieren, einschließlich der Unterstützung der Nato-Reaktionskräfte, falls diese aktiviert werden», sagte Kirby. Über die Aktivierung dieser «Nato Response Force» (NRF) entscheide die Nato. Kirby sprach im Zusammenhang mit der erhöhten Bereitschaft von einer «Rückversicherung für unsere Nato-Verbündeten».

Bündnisstaaten entsenden Kräfte

Zudem schicken mehrere Mitgliedstaaten Schiffe und Militärflugzeuge in Richtung Osten, wie das Bündnis in Brüssel mitteilte. Die Außenminister der 27 EU-Staaten stellten der Ukraine Unterstützung bei der Militärausbildung in Aussicht. Russland machte den Westen für die erhöhten Spannungen in dem seit Jahren schwelenden Konflikt mit dem Nachbarland Ukraine verantwortlich.

Konkret wurden Dänemark, Spanien, Frankreich und die Niederlande genannt. So entsendet Dänemark den Angaben zufolge eine Fregatte in die Ostsee und vier F-16-Kampfflugzeuge nach Litauen. Spanien stellt Schiffe für die Nato-Seestreitkräfte bereit und erwägt die Entsendung von Kampfjets nach Bulgarien. Frankreich habe sich bereiterklärt, Truppen unter Nato-Führung nach Rumänien zu entsenden, teilte die Nato weiter mit. Die Niederlande schickten zudem ab April zwei F-35-Jets nach Bulgarien und versetzten ein Schiff und landgestützte Einheiten für die Nato-Eingreiftruppe NRF in Bereitschaft.

Aus Militärkreisen hieß es, es gehe vor allem darum, bereits lange vor den jüngsten Entwicklungen geplante Präsenzziele zu erreichen. Neue Bündnisbeschlüsse zu Truppenaufstockungen habe es nicht gegeben. Stoltenberg sagte, man erwäge, im Osten des Bündnisgebiets die Präsenz auszubauen.

Kreml leugnet Gefahr

Der Kreml wies zuletzt immer wieder zurück, einen Überfall auf die Ukraine zu planen. Er warf dem Westen eine antirussische «Informationskampagne» und «Hysterie» vor. Die wachsende Gefahr eines «Überfalls» gehe vielmehr von ukrainischer Seite auf die von prorussischen Separatisten kontrollierten Teile der Regionen Luhansk und Donezk aus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. «Die Gefahr ist da, und sie ist jetzt sehr groß. Sie ist höher als früher.»

Auch Vertreter der ukrainischen Regierungen rufen zur Ruhe auf. «Wir sehen zum heutigen Tag überhaupt keine Anhaltspunkte für die Behauptung eines großflächigen Angriffs auf unser Land», sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow.

Für Kiew seien Truppenbewegungen auf russischer Seite im Gegensatz zum Westen keine erstaunliche Angelegenheit. Die ganze Aufregung habe erst mit einem Artikel in der «Washington Post» Mitte Oktober begonnen. Die Lage sei für die Ukraine aber bereits seit 2014 schwierig.

Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj sah in einer Videosprache keinen Grund zur Aufregung um die Ostukraine. «Alles ist unter Kontrolle. Es gibt keinen Grund zur Panik», betonte er. Kiew strebe eine friedliche Lösung des Konflikts im Donbass an. Regierungschef Denys Schmyhal sagte: «Es gibt keine Gefahren für die Funktionsfähigkeit unserer Wirtschaft.» Die Währungsreserven seien ausreichend, um den Kurs der Landeswährung Hrywnja zu stützen. Allerdings hatten Selenskyj und andere ukrainische Regierungspolitiker in den vergangenen Wochen und Monaten in westlichen Medien durchaus drastische Warnungen vor einer russischen Invasion geäußert.

Angesichts eines russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der ukrainischen Grenze wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in dem Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Erklärtes Ziel Russlands ist es etwa, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato, aber auch die EU lehnen diese Forderungen als inakzeptabel ab.

Botschafterfamilien reisen ab

Angesichts der angespannten Lage kündigten die USA an, ihre Botschaftspräsenz in der Ukraine zu verkleinern. So teilte das US-Außenministerium mit, die freiwillige Ausreise nicht unmittelbar benötigter Beschäftigter der Botschaft in Kiew sei genehmigt worden. Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten wurden aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. Die Ukraine bezeichnete diesen Schritt als «übertriebene Vorsicht».

Das Auswärtige Amt finanziert Familienangehörigen von Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Kiew eine freiwillige Ausreise. Die australische Regierung forderte alle Staatsbürger auf, die Ukraine umgehend zu verlassen. Die japanische Botschaft in Kiew riet ihren Bürgern zur Ausreise. Die Europäische Union wiederum erklärte, derzeit keinen Grund dafür zu sehen, Botschaftspersonal zur Ausreise aufzufordern.

Militärausbildung und Nothilfe

Die EU-Kommission schlug ein kurzfristiges Nothilfe-Kreditpaket von 1,2 Milliarden Euro für die Ukraine vor. Die EU sei zudem dabei, Modalitäten für die Hilfe bei der Militärausbildung festzulegen, heißt es in einer Erklärung bei dem Außenministertreffen in Brüssel. Zudem sei man entschlossen, die Ukraine weiter bei der Bekämpfung von Cyber- und Hybridgefahren sowie von Desinformation zu unterstützen.

Bundeskanzler Olaf Scholz schließt nicht aus, dass Deutschland die Ukraine bei der Militärausbildung unterstützt. «Die einzige Sache, die wir immer klar gesagt haben, so wie auch die frühere Bundesregierung, ist: Wir liefern keine letalen Waffen», sagte der SPD-Politiker am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin auf eine entsprechende Frage. «Ansonsten hat es Kooperation und Unterstützung in der Vergangenheit gegeben und wird es auch in Zukunft geben, auch mit unseren Freunden zusammen.»

Die Bundesregierung prüft außerdem eine von Estland beantragte Genehmigung für eine Waffenlieferung an die Ukraine. Diese ist erforderlich, weil die Haubitzen aus DDR-Altbeständen mit Auflagen zunächst an Finnland verkauft und dann später von dort an Estland gegeben worden waren. «Es ist bisher keine Entscheidung dazu getroffen worden», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Es gehe «in diesem Fall nicht um deutsche Waffenlieferungen, sondern um Waffenlieferungen aus Estland», so Hoffmann weiter. Die Entscheidung stehe noch aus.

Konflikte / International / Diplomatie / Nato / Kreml / Truppen / Russland / Ukraine / USA
24.01.2022 · 21:53 Uhr
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