Überraschende Wende in Kiew: Janukowitsch sagt Waffenstillstand zu

Kiew (dpa) - Nach einer massiven Eskalation der Gewalt haben sich Regierung und Opposition in der Ukraine überraschend auf einen Waffenstillstand verständigt. Das teilten beide Seiten am Mittwochabend in Kiew mit.

Ein Sturm von Sicherheitskräften auf den zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) stehe derzeit nicht zur Debatte, erklärten die Oppositionsführer Arseni Jazenjuk und Vitali Klitschko nach einem Treffen mit Präsident Viktor Janukowitsch. Zudem sei vereinbart worden, Verhandlungen über ein Ende der Krise zu beginnen, hieß es auf der Internetseite der Präsidialkanzlei.

Unklar war aber zunächst, ob sich radikale Gruppen an den Waffenstillstand halten würden. Die Opposition um Klitschko und Jazenjuk hat nach Ansicht von Beobachtern keine volle Kontrolle über diese Kräfte. Auf dem Maidan harrten am Mittwochabend weiter Tausende Demonstranten aus. Ein Ring aus brennenden Barrikaden sollte den Platz gegen mögliche Räumungsversuche sichern.

Die Oppositionsführer hatten sich am Abend zunächst kurz mit Janukowitsch getroffen. Danach tagten sie auch mit Präsidialamtschef Andrej Kljujew und Justizministerin Jelena Lukasch. «Heute ist die Hauptsache, das Blutvergießen zu stoppen, das von der Regierung provoziert und entfacht wurde», sagte Klitschko anschließend. Die nächste Verhandlungsrunde solle an diesem Donnerstag stattfinden. Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko rief hingegen zum Aufstand auf. «Wir müssen die Diktatur beseitigen jetzt und für immer», hieß es in einer Mitteilung der Ex-Regierungschefin.

Nach der Eskalation der Gewalt hatte die Europäische Union zuvor angekündigt, Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen verhängen. «Diejenigen, die sich für diese Taten zu verantworten haben, müssen wissen, dass sie auf jeden Fall sanktioniert werden», sagte Frankreichs Präsident François Hollande im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel in Paris. Die EU-Außenminister wollen bei einem Sondertreffen an diesem Donnerstag «finanzielle Sanktionen und Visabeschränkungen» gegen die politische Führung beschließen.

Bei schweren Zusammenstößen waren in der Nacht zum Mittwoch auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew mindestens 26 Menschen getötet und vermutlich mehr als 1000 verletzt worden. Am Mittwochabend tauschte Präsident Janukowitsch kurzfristig den Generalstabschef aus. In die blutigen Ereignisse der Nacht hatte das Militär nicht eingegriffen.

Merkel telefonierte am Nachmittag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dabei hätten beide Seiten vereinbart, «alles zu tun, damit die Gewalt nicht weiter eskaliert», sagte Merkel. Es solle «alles versucht werden, damit der politische Prozess dort in Gang kommt». Putin verlangte laut Kreml, der Westen solle die Vorwürfe gegen die Führung in Kiew einstellen. Die Taten radikaler Regierungsgegner, die «extremistische und terroristische» Taten begangen hätten, müssten scharf verurteilt werden.

US-Präsident Barack Obama drohte für den Fall einer weiteren Eskalation mit Schritten der internationalen Gemeinschaft. «Es wird Konsequenzen haben, wenn Leute eine Linie überschreiten», sagte Obama am Rande des Nordamerika-Gipfels in Mexiko. Dazu gehöre, dass sich das ukrainische Militär nicht in Angelegenheiten einmischen dürfe, die von Zivilisten gelöst werden könnten.

Nach Wochen angespannter Ruhe waren die Massenproteste gegen die prorussische Regierung in Kiew am Dienstag in schwere Straßenschlachten umgeschlagen. Der Geheimdienst SBU bezeichnete das Vorgehen der Opposition als «konkrete Terrorakte» und kündigte eine «Anti-Terror-Aktion» gegen extremistische Gruppierungen im ganzen Land an. Das Militär teilte mit, es sei befugt, daran teilzunehmen.

Der geschäftsführende Regierungschef Sergej Arbusow warf der Opposition einen versuchten Staatsstreich vor. Wegen dieses Vorwurfs leitete der Geheimdienst Ermittlungen gegen «einzelne Politiker» ein. Beide Seite beschuldigten sich, die Eskalation der Gewalt verschuldet zu haben. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko erhob schwere Vorwürfe gegen Janukowitsch. «Jeder Kiewer ist eine Geisel des blutigen Diktators», sagte Klitschko einer Mitteilung zufolge. Die Kiewer U-Bahn fuhr weiterhin nicht.

Die EU kritisiert, dass die Regierung die Eskalation der Gewalt nicht verhindert habe. Brüssel werde «auf die Verschlechterung der Lage an Ort und Stelle mit gezielten Maßnahmen reagieren», teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Brüssel mit. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reist an diesem Donnerstag mit seinen Kollegen aus Frankreich und Polen nach Kiew. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte Steinmeier in einem Telefonat auf, seine enge Kontakte zur ukrainischen Opposition für eine Lösung zu nutzen.

Putin machte «Extremisten» für die tödlichen Straßenschlachten in Kiew verantwortlich. Der Präsident verurteile die Gewalt scharf und betrachte die Vorgänge als versuchten Staatsstreich, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. Der Kremlchef habe in der Nacht der Ausschreitungen mit Janukowitsch telefoniert.

Einige tote Polizisten wie auch Demonstranten wiesen Schussverletzungen auf. Das Innenministerium sprach am Mittwoch von insgesamt 800 Verletzten, die Hälfte seien Polizisten. Die renommierte Medizin-Professorin Olga Bogomolez berichtete in der Nacht zum Mittwoch von mehr als 1000 verletzten Demonstranten. Janukowitsch erklärte den Donnerstag zum landesweiten Tag der Trauer.

In mindestens vier westukrainischen Städten erstürmten radikale Regierungsgegner weitere Verwaltungsgebäude. Die nationalistisch geprägte Gegend nahe der Grenze zu Polen gilt als Hochburg der radikalen Opposition. Hunderte aufgebrachte Menschen blockierten aus Protest gegen das Vorgehen der ukrainischen Führung einen wichtigen Grenzübergang zu Polen. Im prorussischen Osten des Landes verübten Unbekannte in mehreren Städten Brandanschläge auf Büros von Oppositionsparteien.

Demonstrationen / EU / USA / Ukraine
19.02.2014 · 22:54 Uhr
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