Trumps riskanter Angriffsbefehl

Bagdad/Washington (dpa) - Auf den Bildern sind nur noch die Überreste zweier völlig zerstörter Fahrzeuge in Flammen zu sehen, irgendwo an einer Straße nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad.

Der iranische Top-General Ghassem Soleimani war offenbar kurz vorher gelandet und hatte den Airport gerade verlassen. Dann schlagen drei Raketen ein, abgefeuert von einer US-Drohne. Soleimani dürfte sofort tot gewesen sein, genauso wie der einflussreiche irakische Schiitenführer Abu Mahdi al-Muhandis, ein enger Verbündeter Teherans. Die US-Armee hat auf Befehl von Präsident Donald Trump zugeschlagen.

Getötet hat sie nicht irgendjemanden, sondern den wichtigsten iranischen General im Ausland. Fast jeder in der Region kennt das Gesicht des 62-Jährigen. Irak, Syrien - Soleimani tauchte immer dann auf, wenn es für den Iran besonders wichtig war. Sein Ruf war legendär, sein Name berühmt-berüchtigt. Er war der Architekt der iranischen Militärpolitik in der arabischen Welt, der wichtigste Befehlsgeber der zahlreichen mit Teheran verbündeten Milizen in der Region. Soleimanis Tod bedeutet für den Iran einen schweren Schlag, weil Teheran seinen wohl fähigsten Strippenzieher verloren hat.

Doch Trump geht mit dem Raketenangriff ein großes Risiko ein. Mit Soleimanis Tod erreicht der ohnehin schon schwere Konflikt der USA mit dem Iran eine neue Stufe der Eskalation, deren möglicherweise dramatische Folgen sich nur erahnen lassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Iran derartige Operationen gegen seine eigenen Kräfte nicht stillschweigend hinnimmt. Die oberste Führung in Teheran, aber auch die iranischen Verbündeten drohten umgehend mit Rache. Die Gefahr, dass sich der Konflikt mit dem Iran in einer Spirale aus Aktion und Reaktion zu einem Krieg auswächst, scheint größer denn je.

Irans Militär verfügt über ein dichtes Netz von treuen Verbündeten in wichtigen Ländern der Region. Soleimani war auch deswegen in der Region viel unterwegs, um dieses zu knüpfen und zu pflegen. Libanon, Syrien, Irak, Jemen - überall stehen iranische Verbündete für schmerzhafte Schläge gegen die USA und ihre Partner bereit. Nicht lange her sind etwa die Raketenangriffe auf wichtige saudische Ölanlagen, hinter denen Washington und Riad den Iran sahen. Denkbar wären auch Raketenangriffe der Iran-treuen libanesischen Hisbollah-Miliz auf ihren benachbarten Erzfeind Israel.

Nach dem Angriff auf Soleimani geht die Angst um. Israel befindet sich nun in erhöhter Alarmbereitschaft. Die US-Botschaft im Irak ruft Amerikaner zur sofortigen Ausreise aus dem Land auf. Aus aller Welt kommen besorgte Stimmen - und Aufrufe zur Besonnenheit. Die Börsen reagieren nervös.

Ein sehr wahrscheinliches Szenario: dass der Iran den Konflikt im Krisenland Irak weiter eskalieren lässt. Hier verfügt Teheran über besonders viele treue schiitische Milizen, die auch politisch großen Einfluss besitzen. Gleichzeitig sind in dem Land noch rund 5000 US-Soldaten stationiert, die die irakische Armee eigentlich im Kampf gegen die noch immer aktive Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen sollen. Schon in den vergangenen Monaten haben Angriffe im Irak gezeigt, wie verwundbar die US-Truppen dort sind. Und auch die US-Soldaten in Syrien wären ein mögliches Angriffsziel.

Erinnerungen werden wach an die Jahre nach der US-Invasion 2003 im Irak und den Sturz von Machthaber Saddam Hussein. Damals gerieten die US-Truppen immer wieder ins Visier schiitischer Milizen. Auch jetzt rufen einflussreiche irakische Milizenführer zu Vergeltung auf. Die nächsten Tage würden «eine baldige Eroberung und einen großen Sieg» gegen die USA bringen, droht der Chef der Miliz Asaib Ahl al-Hak, Kais al-Khasali.

Die Raketenangriffe treffen den Irak in einer ohnehin instabilen Phase. Während die Armee noch immer gegen IS-Zellen kämpft, ist das Kabinett praktisch handlungsunfähig. Seit Wochen kommt es in dem Krisenland immer wieder zu Protesten gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi erklärte deswegen seinen Rücktritt und ist nur noch geschäftsführend im Amt. Im Hintergrund tobt ein Machtkampf um seinen Nachfolger. Einer der wichtigsten politischen Akteure: die Iran-treuen Schiitenmilizen. Ihnen dürfte es jetzt noch mehr als bisher darum gehen, mit jedem Mittel den Abzug der US-Truppen aus dem Irak zu erreichen.

Der Konflikt zwischen Washington und Teheran stand in den vergangenen Monaten schon mehrfach vor einer militärischen Eskalation. Trump erklärte im Juni, er habe einen Militärschlag gegen den Iran im letzten Moment - «zehn Minuten vor dem Angriff» - abgeblasen. Wegen der erwarteten 150 Toten auf der iranischen Seite.

Diesmal schreckte der US-Präsident nicht zurück. Die gezielte Bombardierung einer kleinen Gruppe um Soleimani erfolgte nach offiziellen Angaben des Pentagon als «Akt der Verteidigung», um den Iran von weiteren Angriffen auf Amerikaner und Verbündete abzuhalten. Trump selbst schreibt auf Twitter, Soleimani habe über Jahre Tausende Amerikaner getötet - und viele weitere umbringen wollen. Seine Tötung sei quasi überfällig gewesen.

Trumps Angriffsbefehl dürfte eine der folgenreichsten Entscheidungen seiner Amtszeit sein. Innenpolitisch kommt die Aktion zu einem heiklen Zeitpunkt - zum Auftakt des Wahljahres in den USA und inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den US-Präsidenten.

Trump steht in der Heimat schwer unter Druck. Ein militärischer Konflikt könnte zwar womöglich die Aufmerksamkeit von den Vorwürfen gegen Trump in der Ukraine-Affäre ablenken, den Fokus auf ihn als Oberbefehlshaber und Beschützer amerikanischer Kräfte lenken. Doch ausgerechnet Trump verspricht seinen Anhängern seit jeher, die «endlosen» Kriege Amerikas zu beenden und US-Truppen heimzuholen. Kurz vor der Wahl einen neuen Krieg zu beginnen, stünde dem fundamental entgegen.

Die Amerikaner haben traumatische Erinnerungen an die militärischen Konflikte im Irak und in Afghanistan, die sich lange hinzogen und nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Eine Eskalation mit dem Iran ist wohl kaum etwas, hinter dem sich das Land versammeln dürfte. Die offizielle US-Argumentation, dass es sich um eine Verteidigungstat handelt, verfängt bei vielen nicht. Vielmehr ist eine Debatte über die Rechtmäßigkeit der Aktion entbrannt.

Kurz nach der Bombardierung eilen diverse Republikaner ihrem Parteifreund Trump zur Seite und verteidigen Soleimanis Tötung als gerechte Strafe für einen Feind Amerikas. Auch Demokraten erklären zwar, niemand werde dem General eine Träne nachweinen - doch der Raketenangriff auf ihn sei eine verantwortungslose und noch dazu vom Kongress nicht abgesegnete Eskalation, mahnen sie. Der frühere US-Vizepräsident und demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden etwa klagt: «Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen.»

Konflikte / Iran / Donald Trump / Eskalation / Syrien / Soleimani / Iran / Irak / USA
03.01.2020 · 16:31 Uhr
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