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Trade Republic im Stresstest: rasant gewachsen, im Service überfordert

14. November 2025, 10:00 Uhr · Quelle: InvestmentWeek
Trade Republic im Stresstest: rasant gewachsen, im Service überfordert
Foto: InvestmentWeek
Beschwerden über Trade Republic stiegen laut Verbraucherzentralen bis September um rund 133 Prozent auf über 300 Fälle; im Fokus stehen Unerreichbarkeit, Depotwechsel und Steuerkorrekturen – die BaFin beobachtet die Entwicklung.
Trade Republic hat seine Kundenbasis verdoppelt, doch Beschwerden über den Service steigen. Kann das Fintech die Balance halten?

Der Befund ist klar – und unbequem

Seit Jahresbeginn häufen sich die Klagen: Nach Daten des Verbraucherzentrale Bundesverbands stiegen die Beschwerden über Trade Republic von Januar bis September gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 133 Prozent; über 300 Vorgänge landeten bei den 16 Verbraucherzentralen. Im Kern geht es um Unerreichbarkeit, zähe Bearbeitung und ungeklärte Vorgänge – von Depotüberträgen über Steuerkorrekturen bis zum App-Zugriff. Eine Telefonhotline gibt es nicht; Kontakt läuft über Chat und E-Mail. Für einen Teil der Kundschaft ist das zu wenig.

Die Aufsicht registriert die Schieflage: Auch bei der BaFin häufen sich Eingaben zu Neobrokern, namentlich zur Ausführung von Aufträgen und zur Erreichbarkeit des Dienstleisters. Details zum Einzelfall bleiben aus Verschwiegenheitsgründen aus – die Botschaft nicht: Gibt es Anhaltspunkte für Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften, will die Behörde handeln.

Scale-up, meet Servicekosten

Trade Republic kontert mit einem Hinweis, der nicht falsch ist – nur unvollständig: Die Kundenzahl habe sich binnen 18 Monaten fast verdoppelt, heute betreue man über zehn Millionen Kunden in 18 Ländern; eine niedrige dreistellige Zahl an Beschwerden sei proportional. Zugleich verweist das Fintech auf dreistellige Millioneninvestitionen in Support, Automatisierung und Produktqualität – und kündigt weiteren Ausbau an.

Das eigentliche Problem bleibt damit benannt: Das Geschäftsmodell lebt von extrem niedrigen Stückkosten. Jeder zusätzliche Kanal – insbesondere Telefon – treibt die Cost-to-Serve. Wer in dieser Logik skaliert, muss Standardfälle automatisieren und Sonderfälle schnell an Spezialteams übergeben. Gelingt das nicht, kippt die Kundenerfahrung – und mit ihr das Narrativ, man sei die „bessere Bank“.

Konkurrenz wittert eine Flanke

Die Wettbewerber sitzen bereit. DKB, Comdirect, Sparkassen und andere Institute schieben neue Wertpapier- und Giroangebote in den Markt – und betonen ausgerechnet das, was Neobroker bislang als Ballast sahen: Erreichbarkeit. DKB-Vorstände sprechen offen davon, Trade Republic und Revolut Kundschaft abjagen zu wollen. Das Unterscheidungsmerkmal? Telefonservice, klare Zuständigkeiten, verlässliche Depotwechsel.

Für Trade Republic wird diese Front heikel. Seit Ende 2023 agiert das Unternehmen mit Vollbanklizenz, baut Karte und Girokonto aus und rückt damit in Bereiche vor, in denen Fehlfunktionen unmittelbarer ins Leben der Kunden greifen. Und während der Broker seit zwei Jahren profitabel ist (Überschuss 2023/24: 34,8 Millionen Euro), ist genau diese Profitabilität sensibel, wenn Supportkosten spürbar steigen.

Vertrauen ist eine Kennzahl

Die Verbraucherschützer schildern Fälle, in denen Anfragen versanden, Chats ohne Antwort bleiben oder KI-Avatare den Eindruck echter Mitarbeiter erwecken sollen. Das mag Einzelfall sein – in der Summe wird es zur Kennzahl: Time-to-Resolution. Wer hier schwach ist, zahlt doppelt – erst im Image, dann in Abflüssen. Depotüberträge sind die empfindlichste Stelle des Systems; hakt es dort, greifen Wettbewerber kommunikativ an. Kein Zufall, dass mehrere Häuser laut Branchenberichten genau hier den Finger in die Wunde legen.

Was jetzt zählen muss

Für den Berliner Marktführer führen drei Wege gleichzeitig zum Ziel – keiner davon ist optional.

  1. Service-Architektur hartziehen
    Echte Triage in der App, Eskalationspfade mit SLA, sichtbare Fallnummern, verbindliche Rückruf-Slots – und ja: ein begrenzter, priorisierter Telefonkanal für komplexe Fälle wie Depotwechsel, Steuerthemen, gesperrte Zugänge. Ohne diesen „Safety Valve“ bleibt Skalierung fragil.
  2. Operations aufräumen
    Die Probleme abstellen, die Support erst erzeugen: standardisierte Depotwechselprozesse mit Partnerbanken, robuste Steuer- und Korrekturlogik, Fail-safe bei App-Zugriff. Operations ist das Produkt.
  3. Rechenschaft geben
    Transparenzberichte zu Beschwerdevolumina, Bearbeitungszeiten, Ausführung und Störungen. Wer führen will, muss vorangehen – auch gegenüber der BaFin. Proaktives Reporting nimmt Druck aus dem Kessel und setzt einen Branchenstandard.

Die Lage am Ende des Tages

Trade Republic bleibt eines der wertvollsten deutschen Fintechs (Bewertung 2022: fünf Milliarden Euro), mit gewaltiger Reichweite und klarer Produktstory. Genau deshalb liegt die Messlatte höher. Der Neobroker steht an einem Punkt, an dem „billig und digital“ nicht mehr reicht. Die Führungsfrage entscheidet sich nicht im Marketing – sondern im Maschinenraum aus Prozessen, SLAs und Verantwortlichkeiten.

Wenn der Marktführer seine Servicekette industrialisiert, bleibt er Taktgeber. Wenn nicht, werden andere ihn über Kundenerlebnis schlagen. In einem Massenmarkt ist Vertrauen kein Soft Skill. Es ist die härteste Währung von allen.

Finanzen / Trade Republic / Neobroker / Kundenservice / BaFin
[InvestmentWeek] · 14.11.2025 · 10:00 Uhr
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