Thyssen-Krupp vor grünem Dilemma: Droht der Stopp des Milliardenprojekts?
Das ambitionierte Projekt von Thyssen-Krupp, seine Stahlproduktion auf Wasserstoff umzustellen und damit klimaneutralen Stahl zu produzieren, steht vor einer ungewissen Zukunft.
Interne Dokumente legen nahe, dass der Konzern unter Vorstandschef Miguel Lopez das Vorzeigeprojekt auf den Prüfstand stellt – mit dem Risiko eines kompletten Stopps. In einer Sitzung im August wurden mehrere Szenarien erörtert, darunter auch ein möglicher Abbruch des milliardenschweren Projekts.
Diese Entscheidung würde nicht nur Thyssen-Krupp vor enorme Herausforderungen stellen, sondern auch die Bemühungen der Bundesregierung zur Dekarbonisierung der Industrie schwer belasten.
Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der sich stark für die grüne Transformation der Stahlindustrie engagiert, wäre dies ein erheblicher Rückschlag.
Grüner Stahl – eine entscheidende Wende?
Der Plan, die Stahlwerke von Thyssen-Krupp von Kohle auf Wasserstoff umzustellen, galt als Vorzeigeprojekt für eine klimaneutrale Zukunft der deutschen Industrie.
Bereits zwei Milliarden Euro an Fördermitteln wurden vom Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesregierung zugesagt, rund 500 Millionen Euro sind bereits geflossen. Der Bau der dafür notwendigen Direktreduktionsanlage (DRI) hat begonnen, doch die Kosten sind gestiegen. Jetzt könnte der Konzern sogar in Erwägung ziehen, das Projekt zu stoppen.
Dabei ist der Erfolg des Projekts nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Finanzen. Der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky, der einen 20-Prozent-Anteil an Thyssen-Krupp Steel hält und möglicherweise auf 50 Prozent aufstocken könnte, soll das Projekt kritisch sehen. Insbesondere die steigenden Kosten und die unsichere Versorgung mit grünem Wasserstoff werfen Fragen auf.
Kostensteigerungen und finanzielle Unsicherheit
Die möglichen Mehrkosten des Projekts belaufen sich bereits auf 200 Millionen Euro – eine Summe, die Thyssen-Krupp vor Probleme stellt. Zudem könnten Fehlplanungen, wie sie bereits beim Bau des brasilianischen Stahlwerks zu massiven Kostenexplosionen führten, die Lage weiter verschärfen.
Noch immer steht das Unternehmen unter dem Eindruck dieser historischen Fehlentscheidung, die das Unternehmen vor knapp zehn Jahren an den Rand der Pleite brachte.
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Falls das Projekt abgebrochen wird, drohen zudem erhebliche Ausfallzahlungen an den Anlagenbauer SMS Group, der mit dem Bau der Direktreduktionsanlage beauftragt wurde. Auch der bereits erhaltene Staatszuschuss von 500 Millionen Euro müsste zurückgezahlt werden.
Die Bundesregierung fürchtet, dass die Stahlsparte dies nicht aus eigener Kraft stemmen könnte, weshalb Gespräche mit dem Mutterkonzern eingeleitet wurden, um mögliche Ausfälle abzufangen.
Alternative Szenarien – klimaneutral mit Elektroöfen?
Sollte die Umstellung auf Wasserstoff tatsächlich gestoppt werden, werden andere klimafreundliche Optionen diskutiert. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Elektrolichtbogenöfen, die mit Strom betrieben werden. Diese könnten ebenfalls die CO₂-Emissionen erheblich senken, allerdings wäre auch hier die Versorgung mit ausreichend grünem Strom ein kritischer Punkt.
Daniel Kretinsky könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen. Er ist stark im Energiemarkt aktiv und plant den Bau von Wind- und Solarkraftwerken, die Thyssen-Krupp mit günstigem Strom versorgen könnten. Dies wäre eine Möglichkeit, die Stahlproduktion zumindest teilweise klimafreundlich zu gestalten, ohne die hohen Kosten des Wasserstoffs.
Ein Rückschlag für die deutsche Klimapolitik?
Für die Bundesregierung und den grünen Wasserstoffhochlauf in Deutschland wäre der Abbruch des Thyssen-Krupp-Projekts ein herber Rückschlag. Robert Habeck hatte das Projekt als zentralen Baustein für die grüne Transformation der Stahlindustrie bezeichnet. Auch international genießt das Vorhaben hohes Ansehen, da es als Symbol für den Wandel in der Schwerindustrie gilt.
Sollte Thyssen-Krupp den eingeschlagenen Weg verlassen, droht dem Unternehmen zudem ein Reputationsverlust. Insbesondere bei den Mitarbeitern und in der Politik wird bereits darüber spekuliert, welche Folgen ein solcher Schritt für die langfristige Zukunft des Unternehmens und seine Rolle in der grünen Transformation haben könnte.