Gewalttat in Magdeburg

Täter wirr und radikal – Bemühen um Aufklärung nach Anschlag

23. Dezember 2024, 20:13 Uhr · Quelle: dpa
Das Vorgehen erinnerte an islamistische Attentäter. In dieses Raster passt der Täter von Magdeburg zwar nicht, doch auffällig war er. Was folgt daraus?

Magdeburg/Berlin (dpa) - Nach dem tödlichen Anschlag von Magdeburg bemühen sich die Behörden weiter um Aufklärung. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, verdichten sich die Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters Taleb A. Zuletzt hatte sich dieser in sozialen Medien zunehmend wirrer und radikaler zu Wort gemeldet. In einem Interview zeigte sich der 50-Jährige jüngst als Fan von X-Inhaber Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge – bezeichnete sich aber als politisch links.

Für diese Einschätzung spricht auch die Entscheidung, dass das Verfahren vorerst weiter in Sachsen-Anhalt geführt wird. Der Generalbundesanwalt habe die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, sagte Justizministerin Franziska Weidinger (CDU). Stattdessen hat nun die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg übernommen. Sie spricht von einer Amokfahrt, die Ermittler halten aber auch den Begriff Anschlag für zutreffend. Der Generalbundesanwalt ist zuständig für Verfahren im Bereich des Staatsschutzes, also der politisch motivierten Kriminalität. 

Taleb A. war am Freitagabend mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt von Magdeburg gerast und hatte fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt. Der Arzt aus Bernburg südlich von Magdeburg stammt aus Saudi-Arabien, lebt seit 2006 in Deutschland und erhielt 2016 Asyl als politisch Verfolgter. Er war in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen aufgefallen. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Zahl der Verletzten gestiegen

Die Zahl der Verletzten hat sich nach Informationen der Staatsanwaltschaft inzwischen erhöht. Sie liege nun bei bis zu 235, sagte ein Sprecher in Magdeburg. Es hätten sich noch Menschen in der Uniklinik und bei Ärzten gemeldet. Nicht auszuschließen sei aber, dass es Doppelzählungen gegeben habe. Bislang war von 200 Verletzten ausgegangen worden. Die Zahl der Todesopfer liege weiter bei fünf, hieß es. 

Bei dem Anschlag wurden ein neunjähriger Junge sowie vier Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren getötet. Bei einem Sondertermin im Universitätsklinikum Magdeburg spendeten am Montag viele Menschen spontan Blut.

«Spiegel»-Bericht: Testament in Auto gefunden

Nach Informationen des «Spiegel» fanden die Ermittler nach der Tat in dem Auto das Testament des Täters. Darin soll Taleb A. dem Bericht zufolge geschrieben haben, dass nach seinem Tod sein Vermögen an das Deutsche Rote Kreuz übergehen soll. Politische Botschaften waren laut «Spiegel» nicht in dem Dokument. 

Den zuständigen Bundesbehörden war Taleb A. seit spätestens Anfang 2015 ein Begriff. Wie das Innenministerium in Schwerin auf Anfrage mitteilte, informierten Vertreter des Landes Mecklenburg-Vorpommern im von Bund und Ländern getragenen Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum das Bundeskriminalamt am 6. Februar 2015 über mögliche Anschlagsabsichten des aus Saudi-Arabien stammenden Mannes.

Anlass für die Meldung seien dessen Drohungen gegenüber der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im April 2013 und ein Jahr später auch gegen eine Kommunalbehörde in Stralsund gewesen, Handlungen vorzunehmen, die internationale Beachtung fänden.

Nach Angaben von Innenminister Christian Pegel (SPD) lebte der heute 50-Jährige von 2011 bis Anfang 2016 in Mecklenburg-Vorpommern und absolvierte in Stralsund Teile seiner Facharzt-Ausbildung. Mit der Landesärztekammer habe es Streit um die Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben. Gegenüber der Sozialbehörde in Stralsund habe er versucht, mit Drohungen die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt durchzusetzen. 

Nach Drohungen nicht als Gefährder eingestuft 

Laut Pegel hatte das Amtsgericht Rostock Taleb A. wegen der Drohungen gegenüber der Ärztekammer zu einer Geldstrafe verurteilt. Die vorhergehenden Ermittlungen hätten jedoch keine Hinweise auf reelle Anschlagsvorbereitungen ergeben und auch keine islamistischen Bezüge offenbart. Nach dem Vorfall in Stralsund sei der Mann im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache von der Polizei auf Konsequenzen hingewiesen worden. Ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde. Als Gefährder sei der Mann aber nicht eingestuft worden, sagte Pegel. 

Mit einer Gefährderansprache will die Polizei signalisieren, dass sie einen potenziellen Straftäter im Blick hat und fordert ihn auf, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. 

Auch in den Monaten vor der Tat hatte die Polizei noch Kontakt zu dem Mann, diesmal in Sachsen-Anhalt. Im September 2023 und Oktober 2024 seien Gefährderansprachen durchgeführt worden, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang im Ältestenrat in Magdeburg, ohne Details zu nennen.

Warnung vor Rassismus

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hatte im ZDF gesagt, der Mann habe eine islamfeindliche Einstellung, er habe sich auch mit rechtsextremen Plattformen beschäftigt. Es sei aber noch nicht abschließend möglich zu sagen, dass die Tat politisch motiviert gewesen sei.

Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, warnte vor politischer Instrumentalisierung des Anschlags. «Leider wird auch diese Tat nun als Ventil genutzt, um Rassismus freien Lauf zu lassen», erklärte sie in Berlin. Seit dem Wochenende berichteten Beratungsstellen aus Magdeburg und Umgebung von einer zunehmend feindseligen Stimmung und gewaltsamen Übergriffen gegen Migrantinnen und Migranten und Musliminnen und Muslimen. 

Durchs Raster gefallen?

Am kommenden Montag wollen sich der Bundestags-Innenausschuss und das Parlamentarische Kontrollgremium für die Nachrichtendienste in Berlin zu Sondersitzungen treffen. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle hält die Behörden zum Teil für überfordert. Die Raster dort passten auf Täter, die bestimmte islamistische, rechtsextreme oder linksextreme Motive haben, sagte er im Deutschlandfunk. 

Es gebe aber eine «Ohnmacht», wie mit Menschen umgegangen werden soll, die über Jahre in wirrer Art und Weise auch Gewaltdrohungen äußerten und etwa unter Verfolgungswahn litten und psychische Probleme haben. Deren Zahl sei «durchaus groß», so Kuhle. Wenn es dann noch so viele unterschiedliche Zuständigkeiten bei den Behörden gebe, fielen solche Täter durchs Netz.

Der geschäftsführende Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos) äußerte sich ähnlich und wies auf Auffälligkeiten des späteren Täters hin. «Nach dem, was bisher bekannt ist, waren seine politischen Äußerungen jedoch so wirr, dass kein sicherheitsbehördliches Schema auf ihn passte», sagte Wissing den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 

«Ich halte es für möglich, dass wir daraus Konsequenzen für unsere Sicherheitsarchitektur ziehen müssen. Und ich halte es für geboten, dass wir darüber eine ernsthafte Debatte führen», so Wissing. Es seien aber noch viele Fragen offen. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck äußerte in Flensburg die Hoffnung, der Anschlag möge nicht zum Thema für den Bundestagswahlkampf werden.

Kriminalität / Notfall / Sachsen-Anhalt / Deutschland
23.12.2024 · 20:13 Uhr
[16 Kommentare]
Kinderarbeit und Umweltverschmutzung in Bangladesch
Brüssel (dpa) - Die EU will das europäische Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten abschwächen, noch bevor es angewendet wird. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich in Brüssel darauf, dass die Vorgaben nur noch für wenige große Unternehmen gelten sollen, wie beide Seiten mitteilten. Das Parlament und die EU-Mitgliedsländer müssen die Änderung noch […] (00)
vor 29 Minuten
Clementine Douglas dachte zunächst, eine Kollaborationsanfrage von Calvin Harris sei ein Fake.
(BANG) - Clementine Douglas dachte zunächst, eine Kollaborationsanfrage von Calvin Harris sei ein Fake. Der 41-jährige DJ schrieb der britischen Sängerin und Songwriterin überraschend auf Instagram und bat sie, den Song 'Blessings' einzusingen, der im Mai erschien und weltweit ein Hit wurde. Auf die Frage, ob sie anfangs an einen Hoax geglaubt habe, sagte Clementine (33) jetzt: "Ja! Es war […] (00)
vor 9 Stunden
Eine junge Frau blickt  skeptisch  auf ihren Laptop
Berlin (dpa/tmn) - Lahmt Windows, kann das viele Gründe haben: Vielleicht ist der Speicherplatz nahezu erschöpft oder mit dem Betriebssystem starten automatisch so viele Programme, dass nichts mehr geht. Da von vorneherein selten ganz klar ist, wo genau es hakt, hat Microsoft einige Tipps veröffentlicht, mit denen man versuchen kann, das Problem zu lösen. Auf geht's: 1. Update-Check In den […] (00)
vor 3 Stunden
Final Fantasy 7 Remake Part 3: Titel-Entscheidung fällt 2025 – Steht die große Enthüllung bevor?
Die Remake-Trilogie rund um Final Fantasy 7 steuert auf ihr großes Finale zu und jetzt wissen wir endlich, wie weit der Prozess tatsächlich ist. In einem neuen Interview mit Julien Chièze bestätigte Naoki Hamaguchi, Director von Final Fantasy 7 Rebirth, dass er und Creative Director Tetsuya Nomura die Titelsuche für Teil 3 auf nur noch zwei Varianten reduziert haben. Die endgültige Entscheidung […] (00)
vor 5 Stunden
ABC News zündet «Avatar»-Doppelschlag
Kurz vor dem Kinostart von «Avatar: Fire and Ash» begleitet ABC News das Mega-Franchise mit zwei großen Specials. ABC News begleitet den weltweiten Hype um «Avatar: Fire and Ash» mit gleich zwei neuen Specials im Dezember. Bereits am 12. Dezember zeigt der Sender zur Primetime die einstündige Avatar: A New Era – Special Edition of 20/20, die am Folgetag auch bei Hulu und Disney+ verfügbar sein wird. Drei Tage später folgt ein weiteres […] (00)
vor 3 Stunden
New York Knicks - Orlando Magic
Orlando (dpa) - Deutschlands Basketball-Star Franz Wagner wird den Orlando Magic in der NBA vorerst fehlen, hat aber nicht die befürchtete schwere Knieverletzung erlitten. Eine MRT-Untersuchung habe ergeben, dass der 24-Jährige sich das linke Sprunggelenk verstaucht habe, teilte sein Club mit. Seine Rückkehr hänge davon ab, wie er auf die Behandlung anspreche. NBA-Experte Shams Charania schrieb bei X, dass eine solche Verletzung in der […] (01)
vor 6 Stunden
Gen Z überrascht den Arbeitsmarkt: Warum plötzlich Klempner attraktiver ist als der Bürojob
Jahrelang schien der Trend eindeutig: immer mehr Studium, immer weniger Handwerk. Die Zahl der Ausbildungsverträge sank kontinuierlich, die akademische Laufbahn galt als Standardweg. Doch nun kippt die Stimmung. Eine neue LinkedIn-Befragung zeigt, dass fast die Hälfte der 18- bis 28-Jährigen lieber im Handwerk oder in der Industrie arbeiten würde als im Büro. Ein Befund, der vor wenigen Jahren […] (00)
vor 31 Minuten
„Ich werde nie vergessen, wie stolz sie waren“
Hannover, 08.12.2025 (PresseBox) - Das WIR-Stipendium der Hochschule Hannover unterstützt engagierte Studierende und schafft Freiräume für ein anspruchsvolles Studium. Eine der geförderten Stipendiatinnen ist Kimia Asa, Studentin der Sozialen Arbeit, die sich besonders für Frauen und Kinder mit Fluchterfahrung einsetzt. Ihr Engagement ist eng mit ihrer eigenen Geschichte verbunden – im Alter von […] (00)
vor 9 Stunden
 
TV-Fernbedienung mit Streaming-Anbietern (Archiv)
New York - Die US-Filmproduktionsgesellschaft Paramount will Netflix bei der geplanten […] (01)
Olympiastadion (Archiv)
Berlin - Die Berliner Landesregierung will die Bewerbung der Hauptstadt für die Olympischen […] (00)
Überschwemmungen in Indonesien
Jakarta (dpa) - Nach wochenlangen Überschwemmungen und Erdrutschen im Norden der indonesischen […] (00)
Windräder (Archiv)
Wiesbaden - Im dritten Quartal 2025 sind in Deutschland 98,3 Milliarden Kilowattstunden Strom […] (02)
Alphabet zieht an Microsoft vorbei – und verschiebt die Machtachse im KI-Rennen
Ein Börsenmoment, der mehr ist als Symbolik Zum ersten Mal seit 2018 ist Alphabet wieder mehr […] (00)
Review: Surviving Mars – Relaunched – Erneut den Mars besiedeln
Surviving Mars: Relaunched ist eine Neuinterpretation eines Spiels, das bereits 2018 eine treue […] (00)
Thomas Gottschalk
(BANG) - Thomas Gottschalk macht den Fans Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Am Samstag (6. […] (00)
«Single Papa» startet am 12. Dezember
Mit dem Projekt präsentiert Netflix eine chaotisch-liebenswerte Familienkomödie über einen Mann, der […] (00)
 
 
Suchbegriff