Starke Bilder und eine unvollendete Vergangenheitsbewältigung: National Geographic enthüllt die düstere Vergangenheit des St. Joseph's Mission-Instituts
Die bedrückende Vergangenheit der kanadischen Residential Schools wird in einem neuen Dokumentarfilm von National Geographic auf eindringliche Weise beleuchtet. Der Film „Sugarcane“, ein beeindruckendes Regiedebüt von Emily Kassie und Julian Brave NoiseCat, erforscht die Schrecken des St. Joseph’s Mission-Instituts in British Columbia. NoiseCat, dessen Vater dort geboren wurde, zeichnet ein schonungsloses Bild kolonialer Missstände und überlässt Überlebenden die Bühne, um von lang unterdrückten Erinnerungen zu berichten.
Die Doku fokussiert sich gleichsam auf die persönliche Schilderung der Opfer wie auf die offizielle Untersuchung, die in der betroffenen Gemeinde in Williams Lake weiterhin im Gang ist. Aufwühlende Zeugnisse von Misshandlungen und deren langfristigen Folgen, bis hin zu persönlichem Leid durch Alkoholmissbrauch und internalisierte Schuld, schaffen ein eindrückliches Porträt kollektiven Traumas und kollektiver Widerstandskraft.
Der Film berührt durch leidenschaftliche Bilder und unausgesprochene Emotionen, die Kassie und NoiseCat mit journalistischer Präzision und menschlichem Verständnis filmisch umsetzen. Es ist die Kombination aus ergreifender Stille und poetischer Bildsprache, die Sugarcane seine narrative Kraft verleiht. Szenen von verschneiten Feldern um das St. Joseph's erinnern an das, was unsagbar bleibt.
Ein bemerkenswerter Aspekt ist die Reaktion der politisch Verantwortlichen. Sowohl Papst Franziskus als auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau haben persönliche Verantwortung eingestanden und den indigenen Gruppen ihre Anteilnahme ausgedrückt. Für die Betroffenen jedoch, die über Jahrzehnte hinweg mit den psychischen Folgen der Misshandlungen leben mussten, kommen diese Worte oft zu spät.
Sugarcane stellt die Frage nach Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit in einer Zeit, in der viele Täter bereits verstorben sind. Eine einfache Antwort auf diese komplexen Fragen findet der Film bewusst nicht, sondern regt an, über die moralischen und gesellschaftlichen Implikationen nachzudenken.

