Spahns Gesetzentwurf zur Entlastung von Kassenpatienten erntet Kritik
- Der neue Gesundheitsminister hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem er gesetzlich Versicherte bereits ab Januar 2019 finanziell entlastet will.
- Spahns Pläne beinhalten sowohl eine paritätische Finanzierung der Kassenbeiträge als auch eine stärkere Entlastung von Selbstständigen.
- Die Krankenkassen sollen künftig mehr in der Pflicht stehen, was nicht nur bei ihnen für Ärger sorgt.
Gesundheitsminister Jens Spahn hat rund vier Wochen nach seinem Amtsantritt einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt. Mit dem sogenannten Versicherten-Entlastungsgesetz will er für gesetzlich Krankenversicherte Verbesserungen wie eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge auf den Weg bringen. Zudem sollen Selbstständige künftig einen geringeren Mindestbeitrag zahlen.
Darüber hinaus möchte Spahn die Krankenkassen finanziell stärker in die Pflicht nehmen: Sie sollen ihre Rücklagen zugunsten der Versicherten schrittweise abbauen. Sowohl bei den Kassen als auch in der Opposition sowie bei Patientenverbänden stößt er mit diesen Plänen auf Kritik.
Paritätische Finanzierung entlastet Versicherte um rund sieben Milliarden Euro
Nach dem Scheitern einer Bürgerversicherung haben SPD und Union im Koalitionsvertrag festgehalten, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) künftig jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzieren zu lassen. Bisher übernehmen letztere lediglich 50 Prozent des Sockelbeitrags von 14,6 Prozent. Den kassenindividuellen Zusatzbeitrag zahlen Versicherte hingegen komplett selbst.
Mit dem Versicherten-Entlastungsgesetz soll sich dies zum 1. Januar 2019 ändern. Der Gesundheitsminister verspricht sich davon eine Erleichterung von rund 6,9 Milliarden Euro für Kassenpatienten. Diese hätten bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.000 Euro durch die Änderung jeden Monat 15 Euro netto mehr im Geldbeutel.
Darüber hinaus könnten auch Selbstständige in der GKV entlastet werden. Bei ihnen soll der monatliche Mindestbeitrag für die Krankenkasse zum Jahreswechsel auf 171 Euro gesenkt werden. Derzeit zahlen sie mindestens 358 Euro pro Monat. Vor allem für Kleinunternehmer bedeutet dies, dass die Kosten für den Gesundheitsschutz einen großen Teil ihres Einkommens auffressen. Ihnen winkt nun eine Entlastung von insgesamt rund 800 Millionen Euro.
Tipp: Bereits jetzt unterscheiden sich die Beiträge zwischen den Krankenkassen mitunter gravierend. Während eine Kasse auf den Zusatzbeitrag verzichtet, verlangen andere ein Plus von 1,7 Prozent. Mit einem individuellen Krankenkassenvergleich finden Sie den besten Mix aus Preis und Leistungen.
Überschussbeteiligung: Krankenkassen sollen Rücklagen abbauen
Ein weiterer wichtiger Punkt in Spahns Gesetzentwurf betrifft die Finanzreserven der Krankenkassen. Diese betragen nach Angaben des Gesundheitsministeriums insgesamt 28 Milliarden Euro. Spahn forderte die Kassen daher zuletzt auf, ihre Mitglieder über Beitragssenkungen daran zu beteiligen.
Im Entwurf zum Versicherten-Entlastungsgesetz geht er sogar noch einen Schritt weiter. Die Krankenkassen sollen künftig gesetzlich verpflichtet werden, nicht mehr als eine Monatsausgabe als Rücklage bilden zu dürfen. Zudem sollen sie ihre Überschüsse innerhalb von drei Jahren abbauen, indem sie diese an Versicherte auszahlen. Dadurch würden Kassenpatienten in den nächsten drei Jahren pro Jahr um etwa 600 Millionen Euro entlastet. Nach Regierungsangaben liegt die mögliche Höhe der Beitragssenkung je nach Kasse zwischen rund 100 Euro und mehr als 700 Euro jährlich.
Kritik von SPD und Opposition: Wohl keine schnelle Einigung über Entwurf
Spahn möchte seinen Gesetzentwurf so schnell wie möglich in der Koalition durchbringen, damit der Bundestag direkt nach der Sommerpause darüber entscheiden kann. Doch eine Einigung mit der SPD erscheint nicht so einfach. So betont Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD), dass die Sozialdemokraten den Gesetzentwurf nicht mittragen würden. Er sieht vor allem den Abbau der Überschüsse kritisch, da dieses Geld für die Pflege benötigt würde. "Wenn wir jetzt die Rücklagen der Kassen abschmelzen, haben wir auf Dauer nicht genug Mittel, um gegen den Pflegenotstand anzugehen", so Lauterbach gegenüber der Funke Mediengruppe.
Dem stimmt auch Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink zu. Ähnlich wie Vertreter der Krankenkassen betont sie, der Gesundheitsminister würde mit dem geplanten Abbau der Rücklagen "ohne Sinn und Verstand in die Wirtschaftsplanung der Kassen" eingreifen.
Kritik am Gesetzentwurf kommt ebenfalls von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Ihr Vorsitzender Eugen Brysch hält es für sinnvoller, die Überschüsse der Kassen für die Unterstützung von Pflegeheimbewohnern zu nutzen, beispielsweise für die Kostenübernahme von medizinischer Behandlungspflege.