Sarrazin: Abstoßungsreaktion in Politik

Berlin (dpa) - Nach seinem angekündigten Rückzug aus dem Bundesbank-Vorstand hat Thilo Sarrazin (SPD) die herrschende «politische Klasse» scharf angegriffen.

Zu den Gründen seines überraschenden freiwilligen Abgangs gefragt, sagte Sarrazin am Freitagabend in Berlin, es habe eine «Abstoßungsreaktion in der politischen Klasse» ausgelöst.

Der 65-Jährige kritisierte namentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). «Es ist ungewöhnlich, dass die Bundeskanzlerin sagt, dass Buch sei nicht hilfreich», sagte Sarrazin bei einer Diskussion zu seinem Buch «Deutschland schafft sich ab» in der Berliner Urania. «Gute Bücher sind überhaupt selten hilfreich. Sie sind entweder gut oder schlecht.»

Sarrazin erinnerte daran, dass Merkel am Mittwochabend den Mut des dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard bei der Verleihung des Medienpreises M100 gewürdigt habe. Als Westergaard die Karikatur gezeichnet und einen Sturm der Entrüstung in der islamischen Welt ausgelöst habe, sei er sicherlich auch nicht hilfreich für die dänische Regierung gewesen. Deshalb warte er darauf, dass Merkel ihm in fünf oder sechs Jahren, «wenn sie dann noch Bundeskanzlerin ist», einen Preis für Meinungsfreiheit überreiche, sagte Sarrazin unter tosendem Beifall der rund 800 Zuhörer.

Er habe zunächst seinen freien Willen demonstriert, «indem ich der politischen Klasse eine Woche lang gezeigt habe, dass mich ein Abberufungsverfahren nicht beeindruckt», sagte Sarrazin. «Zumal wenn es sowieso erkennbar rechtswidrig ist. Ich glaube nicht, dass mich der Bundespräsident jemals abberufen hätte.» Wenn man etwas gezeigt habe, «muss man nicht weiterhin der Michael Kohlhaas bleiben», so Sarrazin. «Was ich eben über die Bundeskanzlerin gesagt habe, konnte ich nur als ein aus dem Amt des Bundesbankvorstandes Scheidender sagen.»

Seiner Partei SPD machte Sarrazin allerdings keinerlei Hoffnung, hier ebenfalls freiwillig zu gehen. Der Bundesvorstand wie der Berliner Landesvorstand haben Sarrazins Parteiausschluss beantragt. Ganz zum Schluss noch einmal danach befragt, sagte der Noch-Banker: «Ich werde in der SPD bleiben.» Die Bundesbank werde er dagegen am 30. September gegen 17.00 Uhr verlassen. Zu seinen weiteren Plänen äußerte sich Sarrazin nur ironisch: «Danach werde ich meine in der Bundesbank gepackten Bücherkisten zuhause auspacken.»

Gefragt, ob er sich einen Austritt aus der SPD nicht doch mal unter dem Druck seiner Partei wie im Falle der Bundesbank anders überlegen könnte, sagte Sarrazin der Nachrichtenagentur dpa: «Nein, unter gar keinen Umständen.» Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch der Berliner SPD-Vorsitzende Michael Müller und der amtierende SPD- Fraktionsvorsitzende Joachim Poß haben Sarrazin aufgefordert, die SPD freiwillig zu verlassen.

Sarrazin bekräftigte seine Thesen, dass Intelligenz zu einem guten Teil vererbt sei und dass die muslimischen Zuwanderer eine geringere Intelligenz und Bildungsbereitschaft hätten, weshalb Deutschland aufgrund ihrer höheren Kinderzahl auf Dauer dümmer werde. Dafür erntete Sarrazin immer wieder lang andauernden Applaus des Publikums, aber scharfe Kritik des Molekularbiologen und Journalisten Jürgen Neffe. «Ohne biologistische Begründung funktioniert dieses Buch nicht. Tut mir leid, Herr Sarrazin, dieses Buch atmet Blut und Boden.»

Er vermute, dass Sarrazin gar nicht wisse, was ein Gen sei, was Erblichkeit bedeute. «Seit Darwin ist sehr viel passiert», sagte Neffe. «Dieses Buch fällt hinter den Anspruch der Aufklärung zurück.» Zugleich gestand er Sarrazin zu, dass er viele Integrationsprobleme richtig beschrieben habe. «Ihre Begründung ist sehr unglücklich. Wenn Sie den Biologismus weggelassen und rein kulturell argumentiert hätten, wäre ich auf Ihrer Seite.»

Migration / Integration / Bundesbank
10.09.2010 · 22:57 Uhr
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