Afghanistan und Syrien

Rückkehr ohne Risiko: Syrer warten ungeduldig auf Regelung

18. Februar 2025, 15:51 Uhr · Quelle: dpa
Die Zerstörung ist immens, die Versorgung schlecht. Deshalb zögern viele Syrer mit einer Rückkehr. Die Bundesregierung bemüht sich derweil um Abschiebungen von Straftätern nach Syrien und Afghanistan.

Berlin (dpa) - Während Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien nach mehreren Gewalttaten kontrovers diskutiert werden, warten viele syrische Flüchtlinge mit Ungeduld auf die von der Bundesregierung angekündigte Möglichkeit für genehmigte Erkundungsreisen in die alte Heimat. Denn bei Reisen ohne Erlaubnis würden sie ihren Schutzstatus in Deutschland riskieren.

«Da müssen jetzt ziemlich schnell pragmatische Lösungen her, wenn wir Ausreisen nach Syrien unterstützen wollen», sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, der Deutschen Presse-Agentur. «Ich werde häufig von syrischen Geflüchteten angesprochen, die wissen wollen, wann es eine Regelung zu solchen Reisen endlich geben soll.» 

Der Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine habe sich in dieser Angelegenheit bereits an mehrere Ressorts der Bundesregierung gewandt, teilte ein Sprecher mit.

Die Union setzt einen anderen Schwerpunkt. Ihr innenpolitischer Sprecher, Alexander Throm, sagt: «Wir müssen Rückführungen nach Afghanistan und Syrien so schnell wie möglich auf die Tagesordnung setzen, nochmal jahrelangen Stillstand wie unter der Ampel kann Deutschland sich nicht erlauben.» 

Die Asylzahlen zeigten, dass Rückführungen nach Syrien und Afghanistan notwendig seien – erst recht nach den Anschlägen von Menschen aus diesen Staaten in Aschaffenburg, München, Solingen und Mannheim.

Bundesinnenministerium feilt an genauen Vorgaben

Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, man arbeite noch an einer Lösung, «um für Syrerinnen und Syrer kurzzeitige Heimreisen zwecks Prüfung der Lage zur Vorbereitung einer dauerhaften freiwilligen Rückkehr ohne Verlust des Schutzstatus zu ermöglichen». Auch bei Abschiebungen von Straftätern und als gewaltbereit eingeschätzten Islamisten nach Syrien würde die Regierung gerne vorankommen. Abschiebungen nach Syrien gibt es seit 2012 nicht mehr.

Kurz vor dem Ende der Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad und seines brutalen Sicherheitsapparats am 8. Dezember 2024 gab es wohl Pläne, hier über Kontakte in die kurdische Autonomieregion voranzukommen. Die neue Lage erforderte aber einen Strategiewechsel.

Ein Sprecher des Innenministeriums teilt auf Nachfrage mit: «Als Teil der Syrien-Taskforce der Bundesregierung arbeitet das Bundesinnenministerium intensiv daran, den Kontakt zur syrischen Übergangsregierung herzustellen und auch über Rückkehrfragen zu beraten.»

Assad im Dezember gestürzt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten im Januar gesagt, sie hielten es für sinnvoll, syrischen Flüchtlingen eine Erkundungsreise zu gestatten ohne Auswirkungen auf den Schutzstatus. 

Wenn Schutzberechtigte in ihre Herkunftsländer reisen, gilt generell die gesetzliche Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise «sittlich zwingend geboten ist» – etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden.

Kaddor könnte sich Sondererlaubnis für ein Jahr vorstellen

Grünen-Innenpolitikerin Kaddor sagte: «Mein Vorschlag wäre es, dass man entweder die Zahl der erlaubten Reisen festlegt oder einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise ein Jahr, in dem man beliebig häufig nach Syrien reisen kann, um sich ein Bild von den Lebensbedingungen vor Ort zu machen.» 

Bei einem Aufenthalt in Syrien in diesem Monat habe sie ehemalige Flüchtlinge getroffen, die aus dem Libanon oder der Türkei zurückgekehrt seien. Viele von ihnen hätten die Rückkehr bereut – etwa weil es an ihrem alten Wohnort weder Strom gab noch Schulunterricht für die Kinder.

UN-Flüchtlingshilfswerk: Einige Tausend aus Europa zurückgekehrt 

Seit dem Sturz von Assad sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) mehr als 300.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt. Die meisten von ihnen hatten zuletzt in Jordanien, Libanon oder der Türkei gelebt. Aus europäischen Ländern gebe es einige Tausend Rückkehrer, sagt ein UNHCR-Sprecher in Berlin. 

Die Idee von Sondierungsreisen sei zu begrüßen, denn «viele Menschen wollen sehen, ob das Haus noch steht, ob die Nachbarschaft zerstört ist und welche Chancen es gibt, wieder ein Leben aufzubauen».

Laut Ausländerzentralregister lebten am 31. Dezember 2024 in Deutschland 975.061 syrische Staatsangehörige. Darunter waren 10.231 Ausreisepflichtige. 9.156 von ihnen waren geduldet. Syrien ist aktuell das Hauptherkunftsland von Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen.

Afghanistan belegt den zweiten Platz. Zum Jahreswechsel hielten sich 442.018 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland auf. Dazu gehörten 9.294 Ausreisepflichtige, die eine Duldung erhalten hatten. 1.554 afghanische Staatsangehörige waren zu dem Zeitpunkt vollziehbar ausreisepflichtig. 

Weitere Flüge nach Afghanistan?

Ende August 2024 waren mit Hilfe von Katar 28 männliche Straftäter aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. Die Länder sind zwar vor einigen Wochen erneut aufgefordert worden, Namen vollziehbar ausreisepflichtiger Afghanen mitzuteilen. Einen weiteren Flug gab es aber seither nicht. Der letzte deutsche Abschiebeflug vor dem Machtwechsel ging am 6. Juli 2021 nach Kabul. 

Gespräche mit den Taliban? 

Zu den militant-islamistischen Taliban, die im August 2021 in Kabul wieder die Herrschaft übernommen haben, unterhält die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen. 

Baerbock und der Grünen-Kanzlerkandidat, Robert Habeck, seien «unaufrichtig, wenn sie auf angeblich fehlende Kontakte zu den afghanischen Regierungsbehörden verweisen», sagt Throm. Schließlich habe die Bundesregierung mehrfach «auf technischer Ebene» Kontakt zu Vertretern der De-facto-Regierung in Afghanistan gehabt – unter anderem zu Fragen der Reisefreiheit von Afghaninnen und Afghanen. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in einer RTL-Viererrunde der Kanzlerkandidaten am Sonntag auf den Abschiebeflug vom August verwiesen. An seinen Herausforderer, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), gewandt, sagte er: «Und glauben Sie mal, da hatten wir auch Kontakte mit der afghanischen Regierung.» Weitere Abschiebeflüge werde es geben.

Migration / Flüchtling / Deutschland / Syrien / Afghanistan
18.02.2025 · 15:51 Uhr
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