Ausschreitungen

Rechte Randale in britischen Städten nach Bluttat

04. August 2024, 16:32 Uhr · Quelle: dpa
Nach Bluttat in Southport - Rotherham
Foto: Danny Lawson/PA Wire/dpa
In Rotherham attackierte ein Mob ein Hotel, in dem Asylbewerber vermutet wurden.
Fake News zur Identität des Täters einer Messerattacke schüren antimuslimische Krawalle. Läden und Autos brennen aus, Vermummte attackieren ein Hotel und Polizisten. Ein Ende ist nicht in Sicht.

London (dpa) - Mit antimuslimischen Krawallen haben Ultranationalisten in mehreren britischen Städten schwere Schäden angerichtet und Polizisten verletzt. Landesweit wurden nach Polizeiangaben mehr als 90 Menschen festgenommen. Die Behörden rüsten sich für weitere Ausschreitungen, die als Reaktion auf eine Bluttat mit drei erstochenen Mädchen vor einer Woche gelten.

Der neue Premierminister Keir Starmer stellte sich hinter die Beamten. Die Einsatzkräfte hätten seine volle Unterstützung, um gegen Extremisten vorzugehen, die Polizisten attackierten und versuchten, Hass zu schüren. Das teilte sein Sprecher nach einem Treffen mit mehreren Kabinettsmitgliedern mit. Die Ausschreitungen gelten als erste Prüfung für den sozialdemokratischen Regierungschef, der seit einem Monat im Amt ist.

In der nordenglischen Stadt Rotherham griffen Vermummte ein Hotel an, in dem Asylbewerber untergebracht werden. «Holt sie raus», riefen sie. Mehrere Fenster wurden eingeworfen und Polizisten mit Stühlen und Zaunlatten sowie Schaum aus einem Feuerlöscher attackiert. Mindestens ein Beamter wurde verletzt. Dem Sender Sky News zufolge drangen einige Menschen in das Gebäude ein. Unklar ist, ob dort derzeit Menschen wohnen.

Die antimuslimischen Krawalle dauern bereits seit Tagen an. Ursache sind vor allem Falschmeldungen in sozialen Medien über die Identität eines Messerangreifers, der am Montag in der nordwestenglischen Stadt Southport drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und mehrere Kinder sowie zwei Erwachsene teilweise lebensgefährlich verletzt hatte. Das Motiv ist unklar.

Die Polizei betont, der 17 Jahre alte Tatverdächtige sei in Großbritannien geboren worden. Seine Eltern stammen aus Ruanda. Auch der rechtspopulistische Abgeordnete Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, spekulierte, ob die Behörden die Wahrheit verschwiegen. Kritiker werfen ihm vor, die Randale damit anzuheizen.

Gezielte Angriffe auf Geschäfte von Muslimen

Polizei-Staatssekretärin Diana Johnson sagte dem Sender BBC Radio 4, einige Menschen hätten Angst, wegen ihrer Hautfarbe auf die Straße zu gehen. In der nordirischen Hauptstadt Belfast brannten etwa ein Café und ein Supermarkt aus, die von Muslimen betrieben werden. Mehrere Autos wurden angezündet.

In Liverpool gab es nach Angaben der Polizei Brandschäden an einer Gemeindebibliothek, die als Hilfsstelle für ärmere Menschen dient. Randalierer versuchten, die Löscharbeiten zu verhindern, wie die Merseyside Police mitteilte. In mehreren Städten wurden Geschäfte geplündert. 

Der Lord Mayor von Liverpool, Richard Kemp, machte im Sender Sky News drei Motive aus: «Manche Leute sind verärgert – nicht aus den richtigen Gründen, aber sie sind es –, manche wollen sich einfach nur prügeln und einige wollen lediglich Zigaretten und Geld aus der Kasse klauen.»

Die Polizeivereinigung warnte vor Personalengpässen bei Alltagskriminalität. Beamte müssten abgezogen werden, um die Randalierer im Griff zu haben, sagte die Chefin der Police Federation of England and Wales, Tiffany Lynch, der BBC. Staatssekretärin Johnson betonte hingegen, die Polizei verfüge über ausreichend Ressourcen und kündigte weitere Festnahmen an.

Im nordwestenglischen Blackpool schlugen sich nach Angaben der Polizei Ultranationalisten und Gegendemonstranten. Festnahmen gab es auch in den nahe gelegenen Städten Preston und Blackburn sowie im westenglischen Bristol, im mittelenglischen Stoke-on-Trent und in Kingston upon Hull in Nordostengland, wie die Polizei mitteilte.

Zu den Protesten - oft nahe einer Moschee oder einem muslimischen Gemeindezentrum - aufgerufen hatte unter anderem der bekannte Rechtsradikale und Gründer der English Defence League, Stephen Yaxley-Lennon, der unter dem Namen Tommy Robinson bekannt ist. Er floh vor einer Woche aus dem Land, nachdem er in einem Fall wegen Verleumdung nicht zu einem Gerichtstermin erschienen war. Aus dem Ausland verbreitete Robinson nun Verschwörungstheorien.

Die Polizei warnte vor Falschnachrichten, mit denen in Chatgruppen für die Teilnahme an den Protesten geworben werde. Die Behörde wies Berichte in sozialen Medien zurück, dass zwei Teilnehmer eines antimuslimischen Marsches in Stoke-on-Trent niedergestochen worden seien. Zwei Männer seien leicht verletzt worden, als sie von stumpfen Gegenständen getroffen worden seien.

Randale dauern seit Tagen an

Bereits an den vergangenen Tagen war es zu rechtsextremen Protesten gekommen, auch im Londoner Regierungsviertel. Gefordert wird auch, die Regierung müsse die Einreise von Migranten nach Großbritannien beenden.

Innenministerin Yvette Cooper sagte, Gesetzesbrecher würden einen hohen Preis zahlen. «Gewalttätigkeit hat keinen Platz auf unseren Straßen», sagte Cooper. Ihr Vorgänger James Cleverly, der Nachfolger von Rishi Sunak als Chef der Konservativen Partei werden will, forderte ein härteres Durchgreifen.

Kriminalität / Gesellschaft / Kinder / Großbritannien / Wochenendzusammenfassung
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