Ratingriese stellt Eurozone an den Pranger

Frankfurt/Berlin (dpa) - Der Druck auf die Euro-Retter wächst: Unmittelbar vor dem mit hohen Erwartungen verbundenen EU-Gipfel Ende dieser Woche droht die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) quasi der gesamten Eurozone mit der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit.

Während sich Europas Politiker mühen, die Schuldenkrise endlich in den Griff zu bekommen, steht plötzlich auch Deutschlands Bestnote «AAA» auf der Kippe. Damit würde auch der Euro-Rettungsschirm EFSF seine Topbonität verlieren.

S&P hat immer größere Zweifel, ob Europas Regierungen ihren seit Monaten brodelnden Streit beilegen und die Vertrauenskrise an den Märkten bekämpfen können. Die Bundesregierung sieht sich in ihrem Kurs bestärkt, die Eurozone auf ein solideres Fundament zu stellen.

An den Börsen trübte sich die Stimmung ein, Kurseinbrüche blieben aber aus. «Die Warnung von S&P hat den Markt ... nicht in Panik versetzt, da die Probleme ziemlich offensichtlich sind», sagte eine Händlerin.

Die Bundesregierung blieb gelassen. «Was eine Ratingagentur macht, das ist in der Verantwortung der Ratingagentur», sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zugleich betonte sie die Notwendigkeit der von Deutschland und Frankreich bis März angestrebten radikalen und raschen Reform der Euro-Zone: «Wir werden am Donnerstag und Freitag die Entscheidungen treffen, die wir für die Euro-Zone für wichtig und unabdingbar halten.» Dies sei ein Beitrag zur Stabilisierung der Eurozone. Auch werde so Vertrauen gewonnen.

EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy forderte die Regierungen der 27 EU-Staaten zu einem runden Paket zur Lösung der Schuldenkrise auf. «Es ist absolut notwendig, dass wir auf den wichtigen bisherigen Beschlüssen aufbauen und einen breiteren Ansatz beschließen», schreibt Van Rompuy in seinem Einladungsschreiben an die Staats- und Regierungschefs. Dazu gehöre ein besseres Krisenmanagement sowie mittelfristig weitere Schritte zur Stärkung der Wirtschaftsunion. Van Rompuy hat Vorschläge zur Vertragsänderung ausgearbeitet. Ziel: «Mögliche Schritte hin zu einer engeren Wirtschaftsunion.»

S&P-Europa-Chefanalyst Moritz Kraemer verteidigte die Entscheidung gegen Kritik: Die Krise sei zu einer «systemischen Vertrauenskrise» ausgeufert. «Eine Herabstufung ist auf keinen Fall sicher», versicherte Kraemer zugleich. Entscheidend sei, dass das Treffen der Staats- und Regierungschef «glaubwürdige und solide Lösungen» bringe.

S&P stellte auf einen Schlag die Kreditwürdigkeit von 15 der 17 Eurostaaten unter strenge Beobachtung. Dabei wählte die Agentur sogar die schärfere Form des «CreditWatch with negative implications», was eine höhere Dringlichkeit der Überprüfung bedeutet. S&P hat nun maximal 90 Tage Zeit, eine Entscheidung zu treffen. «Wir werden eher früher als später entscheiden», kündigte Kraemer an. Je nach den Ergebnissen des EU-Gipfels droht eine massenhafte Herabstufung.

Zur Begründung verwies die Agentur am späten Montagabend unter anderem auf das ihrer Ansicht nach unkoordinierte und unentschlossene Handeln der Politiker. Auch sei unklar, wie die Politik langfristig mehr wirtschaftliche, finanzielle und steuerliche Annäherung in den Euro-Staaten gewährleistet wolle. Erschwerend hinzu komme die drohende Rezession im Euroraum im kommenden Jahr.

Diese wird durch den Sparzwang in mehreren Ländern verschärft. Nach Italien kündigte am Dienstag auch Irland Sanierungsschritte an. Die irische Regierung will 2012 unter anderem die Mehrwertsteuer um zwei Punkte auf 23 Prozent erhöhen, um den überschuldeten Staatshaushalt auf Vordermann zu bringen.

Schon jetzt wächst die Wirtschaft im Euroraum nur noch minimal. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im dritten Quartal verglichen mit dem Vorquartal um lediglich 0,2 Prozent gestiegen, teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg mit. Auch im zweiten Quartal 2011 war die Wirtschaft um 0,2 Prozent gewachsen.

S&P könnte bald auch Deutschlands Spitzenrating um eine Stufe senken. Die Exportnation sei eng innerhalb Europas verflochten, das berge Gefahren für die deutsche Wirtschaft. Nach Überzeugung des Wirtschaftsprofessors und Regierungsberaters Clemens Fuest haben die S&P-Experten Deutschland auch deshalb ins Visier genommen, weil sich die größte Euro-Volkswirtschaft mit den Rettungshilfen für Schuldensünder verheben könnte.

Frankreich als zweitem wirtschaftlichen Schwergewicht Europas droht sogar die Absenkung um bis zu zwei Stufen. Außerdem führen derzeit auch die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg die Bestnote «AAA».

Ein gutes Rating ist Voraussetzung für Staaten und Unternehmen, um sich an den Kapitalmärkten zu günstigen Konditionen frisches Geld zu besorgen. Schlechtere Bonitätsnoten führen in der Regel dazu, dass Schuldner höhere Zinsen zahlen müssen.

EU / Finanzen / Deutschland / Frankreich
06.12.2011 · 23:08 Uhr
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