Österreich auf Talfahrt: Längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg
Das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) haben ihre Prognosen nach unten korrigiert: Für 2024 wird mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,6 Prozent gerechnet – die längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg.
Auch für das kommende Jahr gibt es wenig Hoffnung auf eine deutliche Erholung. Die heimische Wirtschaft kränkelt, und die schlechte Nachricht kommt zu einem besonders heiklen Zeitpunkt: Kurz nach den Wahlen in Österreich.
Konjunkturelle Tristesse
Österreich leidet nicht nur unter einer rezessiven Phase, die sich bereits seit 2023 zieht, sondern auch unter einem kaum wachsenden Konsum. Zwar steigen die Haushaltseinkommen dank höherer Löhne, doch die Bürgerinnen und Bürger scheinen nach dem Inflationsschock das Vertrauen in eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung verloren zu haben. Statt mehr auszugeben, sparen sie – ein klares Zeichen für das fehlende Vertrauen in die Zukunft.
„Das ist kein gutes Zeichen“, kommentiert Wifo-Chef Gabriel Felbermayr die Situation. Denn ohne Kaufkraft bleibt auch der Konsum schwach.
Dabei wird der Druck auf die Exporte durch die schlechten Wirtschaftszahlen der größten Handelspartner Deutschlands immer größer. „Österreich hält die rote Konjunkturlaterne“, fügt IHS-Chef Holger Bonin hinzu. Die Bilanz: Der Industriestandort Österreich verliert weiter an Boden.
Teure Energie und Wettbewerbsdruck
Zusätzlich zu den internen Problemen Österreichs schlagen auch externe Faktoren hart zu Buche. So haben die hohen Energiepreise und die im europäischen Vergleich überdurchschnittlich stark gestiegenen Löhne Österreichs Exportindustrie geschadet.
Viele Unternehmen verlieren im Wettbewerb gegen die Konkurrenz aus dem Euro-Raum, was den Rückgang der Exporte weiter beschleunigt.
Ein Blick auf die Entwicklung der letzten sechs Quartale zeigt: Österreich steckt tiefer in der Krise als viele andere europäische Länder. Ohne eine Kehrtwende droht dem Alpenstaat ein langfristiger wirtschaftlicher Abstieg, warnen die Experten.
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Defizit größer als gedacht
Das größte Sorgenkind bleibt jedoch das Staatsbudget. Kurz nach der Wahl wurde bekannt, dass das Budgetdefizit des Jahres 2024 voraussichtlich bei 3,3 Prozent des BIP liegen wird – deutlich über der Maastricht-Grenze.
Wifo und IHS schätzen die tatsächlichen Zahlen sogar noch höher ein. Um den EU-Regeln gerecht zu werden, muss Österreich im kommenden Jahr etwa 3 Milliarden Euro einsparen.
Die Reaktionen der politischen Parteien ließen nicht lange auf sich warten. Besonders die FPÖ kritisiert die bisherigen Versäumnisse der Regierung scharf.
„Die Regierung hinterlässt einen Scherbenhaufen“, klagt ein FPÖ-Sprecher.
Auch die Neos werfen der Regierung vor, die Bevölkerung aus wahltaktischen Gründen getäuscht zu haben. Dass diese Hiobsbotschaft erst nach der Wahl bekannt gegeben wurde, schürt weiteren politischen Zündstoff.
Ein schwieriger Spagat
Die nun beginnende Regierungsbildung dürfte für alle Beteiligten eine Mammutaufgabe werden. Die konservative ÖVP und die Wahlsiegerin FPÖ sind sich in wirtschaftspolitischen Fragen zwar recht nahe, doch eine Koalition mit Herbert Kickl gilt für viele als ausgeschlossen.
Wahrscheinlicher ist eine Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und den Sozialdemokraten (SPÖ). Doch auch hier wird es nicht einfach: Während die ÖVP auf Wachstum setzen will, um das Defizit zu verringern, fordert die SPÖ eine höhere Besteuerung der Reichen.
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Wifo-Chef Felbermayr und IHS-Chef Bonin sind sich jedoch einig, dass ein neues Sparpaket für Österreich unvermeidlich ist. Langfristig müssten auch strukturelle Reformen, etwa im Pensionssystem, angegangen werden, so die Experten.
Sparpaket mit Risiken
Kurzfristig könnten auch Steuererhöhungen helfen, das Budget wieder in geordnetere Bahnen zu lenken. Felbermayr nennt die Anhebung der Mineralölsteuer und die Anpassung der Grundstückssteuer als sinnvolle Maßnahmen. Doch die Einführung eines Sparpakets birgt Risiken: „Ein hastiges Konjunkturpaket könnte die Wirtschaft zusätzlich schwächen“, warnt Bonin.