Netanyahus Prozess: Ein Blick in die Anklagen
Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu wird im Zuge seines langjährigen Korruptionsverfahrens am Dienstag erstmals aussagen. Die in 2019 erhobenen Anklagen wegen Bestechung, Betrugs und Vertrauensbruchs spalten die israelische Gesellschaft, die sich bereits inmitten von Unruhen im Nahen Osten befindet. Netanyahu, der alle Vorwürfe entschieden zurückweist, sieht sich in drei kriminellen Fällen mit gravierenden Anschuldigungen konfrontiert.
Im sogenannten Fall 4000 wird ihm vorgeworfen, der Bezeq Telecom Israel entgegenkommende regulatorische Vorteile im Wert von etwa 1,8 Milliarden Schekel (ca. 500 Millionen US-Dollar) gewährt zu haben. Im Gegenzug soll er positive Berichterstattung auf einer von Shaul Elovitch kontrollierten Nachrichtenwebsite angestrebt haben. Dieser Fall umfasst Anklagen wegen Bestechung, Betrugs und Vertrauensbruchs.
Im Fall 1000 wird gegen Netanyahu Anklage wegen Betrugs und Vertrauensbruchs erhoben, da er und seine Ehefrau angeblich unrechtmäßig Geschenke, darunter Champagner und Zigarren, im Wert von fast 700.000 Schekel (210.000 US-Dollar) vom Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und dem australischen Milliardär James Packer erhalten haben sollen. Es wird behauptet, dass Netanyahu Milchan bei dessen geschäftlichen Interessen unterstützte. Packer und Milchan sind dabei jedoch keine Anklagen ausgesetzt.
Im Fall 2000 soll Netanyahu mit Arnon Mozes, dem Eigentümer der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth, eine Vereinbarung über positivere Berichterstattung im Austausch gegen Gesetzesinitiativen zur Eindämmung eines konkurrierenden Blattes getroffen haben. Auch hier wird Netanyahu Betrug und Vertrauensbruch vorgeworfen.
Eine baldige Urteilsverkündung erscheint unwahrscheinlich. Sofern Netanyahu kein Schuldeingeständnis eingeht, könnten noch viele Monate vergehen, bis ein Urteil gefällt wird. Unter israelischem Recht besteht keine Verpflichtung zum Rücktritt für einen Premierminister, bis eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist. Auch bei einem Berufungsverfahren darf das Amt weiterhin ausgeübt werden. Die Anklagepunkte könnten jedoch im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren führen.
Der Schock über die jüngsten Angriffe der Hamas auf Israel und der darauffolgende Gaza-Krieg ließen Netanyahu's Prozess zwischenzeitlich aus dem Fokus geraten, während die israelische Bevölkerung in kollektiver Trauer vereint war. Vor dem Krieg hatten die juristischen Probleme des Premierministers jedoch die israelische Gesellschaft gespalten und die Politik durch fünf Wahlrunden erschüttert. Nach seinem Wahlsieg 2022 initiierte Netanyahu eine umstrittene Justizreform, die Massenproteste hervorrief und Besorgnis bei westlichen Verbündeten auslöste. Nach Kriegsbeginn hatte er die Pläne weitgehend aufgegeben, jedoch kürzlich teilweise wiederbelebt.

