Millionenprotest gegen Rentenreform in Frankreich
Paris (dpa) - Die Massenproteste gegen die Rentenreform der französischen Regierung haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Nach Angaben der Gewerkschaften gingen am Dienstag landesweit mehrere Millionen Menschen auf die Straße, um gegen eine Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre zu protestieren.
Streiks im Schienen- und Luftverkehr lösten vielerorts Chaos aus. Das Reformprojekt ist vom Parlament in seinen Kernpunkten bereits weitgehend gebilligt.
Die Proteste an diesem dritten Streiktag seit Anfang September waren die bislang größten. Die Gewerkschaften sprachen von 3,5 Millionen, das Innenministerium von 1,2 Millionen Menschen, die sich an rund 240 Kundgebungen und Demonstrationen beteiligten. Erstmals waren einige der Arbeitsniederlegungen zeitlich nicht befristet. Zum ersten Mal beteiligten sich auch zahlreiche Studenten und Schüler an den Protesten, die auch als Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der Regierung von Nicolas Sarkozy gedeutet werden.
Im Schienen- und Flugverkehr gab es zahlreiche Behinderungen. Dies soll sich an diesem Mittwoch fortsetzen. Etwa ein Drittel der Hochgeschwindigkeitszüge nach Deutschland fielen aus. Die Verbindungen Frankfurt-Paris und Stuttgart-Paris waren teilweise unterbrochen. Einige ICE und TGV konnten nur bis Saarbrücken beziehungsweise Karlsruhe fahren, wie ein Bahnsprecher in Berlin berichtete. Der Nachtzug Berlin-Paris kam nur bis Mannheim, dann mussten die Fahrgäste in Busse umsteigen.
Auf den beiden Pariser Flughäfen Charles de Gaulle und Orly mussten 30 bis 50 Prozent der Kurz- und Mittelstreckenflüge gestrichen werden. Auch Schulen, die Post und Erdölraffinerien waren von Streiks betroffen. Es war der vierte Aktionstag seit Anfang September und der dritte, der von massiven Streiks begleitet wurde.
Die französischen Gewerkschaften hoffen, mit den Massenprotesten die von der Regierung vorbereitete Rentenreform noch zu kippen. Kern des Projekts ist die Anhebung des Renteneintrittsalters. Wer mindestens 40,5 Jahre Beiträge gezahlt hat, kann derzeit in Frankreich bereits mit 60 Jahren die volle Rente beziehen. Diese Altersgrenze soll nun bis 2018 auf 62 Jahre angehoben werden. Wer nicht genügend Beitragsjahre hat, soll künftig erst mit 67 die volle Rente bekommen. Bislang war dies mit 65 Jahren möglich.
Beide Änderungen sind in einer ersten Abstimmungsrunde von der Nationalversammlung und dem Senat angenommen worden. Mit der endgültigen Verabschiedung des Reformpakets wird aber frühestens Ende des Monats gerechnet. Weil die Regierung aufs Tempo drückt und die Neuregelung noch am Montagabend in die Abstimmung im Senat brachte, werfen die Gewerkschaften ihr Provokation vor. Für kommenden Samstag ist bereits ein weiter Aktionstag mit Demonstrationen geplant.