Merkel zieht gemischte Bilanz zu Afghanistan

Berlin/London (dpa) - «Manche Fortschritte, zu viele Rückschläge» - Angela Merkel zieht eine gemischte Bilanz des Afghanistan-Einsatzes und will die Verantwortung für das Land Schritt für Schritt den Afghanen übergeben. Wie es weitergeht, soll ab Donnerstag bei der Afghanistan-Konferenz besprochen werden.

Die Kanzlerin erwartet von der Afghanistan-Konferenz in London eine «Weichenstellung» für Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes am Hindukusch. In London kommen an diesem Donnerstag die Delegationen aus 70 Ländern zusammen, um über die Zukunft Afghanistans zu beraten und den Grundstein für einen endgültigen Abzug zu legen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht wachsende internationale Zustimmung für den Berliner Strategiewechsel, der nach einer Aufstockung des deutschen Kontingents einen vollständigen Abzug möglichst bis 2014 vorsieht. Für die Schlüsselpunkte zeichne sich in der Europäischen Union (EU) Übereinstimmung ab, sagte Westerwelle, der die Bundesregierung in London vertritt. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton habe positiv reagiert.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel machte die Zustimmung seiner Partei zu einem neuen Afghanistan-Mandat davon abhängig, ob das Jahr 2011 als Datum für den Beginn des Abzugs festgeschrieben werde. Auch die Grünen bekräftigten ihre Skepsis. Einer Umfrage zufolge ist die überragende Mehrheit der Deutschen gegen die geplante Verstärkung der Bundeswehrtruppe in Afghanistan.

Merkel zog eine gemischte Bilanz. «Es gab manche Fortschritte und zu viele Rückschläge», sagte sie am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung. «Außer Zweifel steht: Die internationale Staatengemeinschaft hat das Ziel ihres Einsatzes noch nicht erreicht. Und deshalb müssen wir handeln.» Die Ausbildung der afghanischen Armee werde künftig stärker in den Blick genommen. Deutschland will 500 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan entsenden. Weitere 350 sollen eine «flexible Reserve» bilden. Bislang sind dort bis zu 4500 deutsche Soldaten im Einsatz. «Es geht (in London) um eine Weichenstellung, die nach meiner Überzeugung über Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes in Afghanistan entscheiden wird», sagte Merkel im Bundestag.

Die NATO begrüßte die Aufstockung des deutschen Kontingents. «Ich freue mich, dass die NATO-geführte Mission in Afghanistan kurz vor der Londoner Konferenz weiter gestärkt wurde», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. Deutschland leiste damit einen «sehr substanziellen Beitrag» zur Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte. Der afghanische Präsident Hamid Karsai versicherte nach einem Treffen mit Merkel in Berlin, dass sein Land möglichst rasch die Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen wolle - möglichst bis 2014 zum Ende seiner Präsidentschaft. «Afghanistan möchte Ihnen bald diese Last abnehmen.»

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist nach wie vor gegen die Nennung eines konkreten Datums für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Ein Datum zu setzen wäre problematisch, sagte er der Wochenzeitung «Die Zeit». «Das wäre das Signal: Wir stellen jetzt den Wecker, und wenn dieser geklingelt hat, kann all das zurückgedreht werden, was bis dahin aufgebaut wurde.» Zu einer «Abzugsperspektive» möglichst bis 2014 sagte Guttenberg: «Wie lange sich der Prozess hinauszögern wird, wird eine Frage des erzielten Erfolge sein.»

Rund vier von fünf Deutschen (79 Prozent) lehnen es laut einer Forsa-Erhebung im Auftrag des Magazins «Stern» ab, mehr Soldaten an den Hindukusch zu schicken. Der Widerstand ist demnach auch unter den Anhängern der Regierung hoch: 77 Prozent der Unions- und sogar 86 Prozent der FDP-Wähler sind gegen die Verstärkung der Truppe. Fast jeder dritte Befragte fordert einen sofortigen Abzug der Bundeswehr.

Nach Einschätzung des Bundeswehrverbandes wird mit dem geplanten Strategiewechsel der Einsatz für die Deutschen in Afghanistan gefährlicher. Wenn Soldaten ihre gesicherten Lager verließen, könnten sie nicht so geschützt agieren wie gewohnt, sagte Verbandssprecher Wilfried Stolze dem Audiodienst der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Die Gefahr für Leib und Leben wird dadurch größer.»

Die afghanische Regierung sucht auf der Londoner Konferenz auch Unterstützung für einen Fonds, aus dem die Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer der radikal-islamischen Taliban bezahlt werden soll. «Die Verhandlungen könnten schon morgen beginnen, wenn wir die internationale Unterstützung bekommen», sagte Finanzminister Omar Zakhilwal der Zeitung «Financial Times» (Mittwoch). Eine «ziemlich große Anzahl» von Taliban sei an die Regierung herangetreten.

Konflikte / Afghanistan / Deutschland
27.01.2010 · 22:35 Uhr
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