Merkel: «Ausspähen unter Freunden geht gar nicht»

Berlin/Washington/Brüssel (dpa) - Harte Belastungsprobe für die deutsch-amerikanische Freundschaft: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den vermuteten Spähangriff des US-Geheimdienstes NSA auf ihr Handy scharf verurteilt.

«Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht», sagte sie vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Am Telefon machte sie US-Präsident Barack Obama ihren Ärger deutlich. In Washington wies Obamas Regierung die Vorwürfe zurück, ließ aber offen, ob Merkels Handy früher abgehört wurde.

Die britische Zeitung «Guardian» berichtete von 35 internationalen Spitzenpolitikern, deren Telefon-Kommunikation überwacht worden sei. Das Dokument aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden stamme aus dem Jahr 2006. Namen wurden nicht genannt.

Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bestellte US-Botschafter John B. Emerson zum Rapport - ein ziemlich beispielloser Vorgang unter engen Verbündeten. Westerwelle sagte, ohne ernstzunehmende Hinweise hätte er nicht zu diesem diplomatischen Mittel gegriffen: «Wer einander vertraut, der hört sich nicht ab. Wer es dennoch tut, der belastet die Freundschaft.» Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich «sehr besorgt» über die Berichte.

In Brüssel betonte Merkel, zwischen Verbündeten und Freunden sei Vertrauen notwendig. «Solches Vertrauen muss jetzt wieder neu hergestellt werden.» Der Vorgang sei von grundsätzlicher Problematik: «Dabei geht es nicht vordergründig um mich, es geht um alle Bürgerinnen und Bürger», sagte Merkel. Enthüllungen des Magazins «Spiegel» hatten die Spionageaffäre um die NSA wieder angefacht.

Nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» und der «Welt» war möglicherweise die US-Botschaft in Berlin an dem mutmaßlichen Lauschangriff auf Merkels Handy beteiligt. Die Abhöraktion soll ohne Einwilligung deutscher Stellen von einer US-Spezialeinheit betrieben worden sein, die weltweit in amerikanischen Botschaften und Konsulaten arbeite, schrieb die «Süddeutsche».

Beim EU-Gipfel wurde der Ruf nach Konsequenzen laut. Die Forderungen reichten von einer Unterbrechung der Freihandelsgespräche mit den USA bis zur Kündigung des Swift-Abkommens zur Weitergabe verdächtiger Bankdaten. Die EU verhandelt mit Washington seit Sommer über die weltgrößte Freihandelszone. «Ich glaube schon, dass wir jetzt mal unterbrechen müssen. Das ist kein Arbeiten auf gleicher Augenhöhe», sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD).

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sicherte nach einer Sondersitzung des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste vollständige Aufklärung zu. Sollten die neuen Vorwürfe stimmen, wäre es ein «schwerer Vertrauensbruch» durch die Amerikaner, sagte er. Die National Security Agency hatte im Sommer mündlich wie schriftlich erklärt, dass sie nichts unternehme, was deutsche Interessen verletze. Die Regierung, nach der Wahl geschäftsführend im Amt, will nächste Woche eine Delegation nach Washington schicken.

Die Grünen warfen dem Kanzleramt vor, die NSA-Affäre verharmlost zu haben. Der Merkel-Vertraute Pofalla habe die Schnüffelvorwürfe gegen den US-Geheimdienst Mitte August vorschnell als erledigt abgehakt. Die SPD will den Datenschutz in den Koalitionsverhandlungen mit der Union nun noch höher ziehen. Parteichef Sigmar Gabriel betonte, es gehe um die Freiheitsrechte der Bürger: «Ich möchte nicht, dass der Skandal nur deshalb groß ist, weil es einen Regierungschef betrifft.» Die Linkspartei forderte einen Untersuchungsausschuss. Das Weiße Haus hatte erklärt, Merkel werde nicht ausspioniert. US-Regierungssprecher Jay Carney sagte in der Nacht zum Donnerstag in Washington: «Die Vereinigten Staaten überwachen die Kommunikation der Kanzlerin nicht und werden sie nicht überwachen.» Dies habe Obama Merkel versichert. Carney ging aber nicht darauf ein, ob Merkels Handy in der Vergangenheit abgehört wurde. Die NSA-Affäre habe die Beziehungen der USA zu wichtigen Alliierten beschädigt, räumte Carney am Donnerstag ein. Er bekräftigte aber, er werde Vorwürfe zu Geheimdienstaktivitäten «nicht öffentlich kommentieren».

Deutsche Sicherheitsbehörden vermuten, dass Merkels Handy längere Zeit angezapft wurde. In Dokumenten, die der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden entwendet habe, befinde sich eine alte Handy-Nummer Merkels, berichtete die «Welt» unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Rede sei von einem «verdichteten Verdacht». Merkel nutzte das betroffene Handy demnach von Oktober 2009 bis Juli 2013. Auch die Bundesanwaltschaft prüft die Hinweise.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa untersuchten Experten das Handy Merkels auf Geheimdienst-Angriffe. Es spreche manches dafür, dass Telefonate und SMS-Kurzmitteilungen abgehört und ausgespäht worden seien. Dies sei aber schwer nachzuweisen, weil solche Aktionen keine Spuren hinterließen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in der ARD: «Wenn das zutrifft, was wir da hören, wäre das wirklich schlimm.»

Eine Sprecherin Gaucks sagte in Berlin auf Anfrage, auch wenn der Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt sei, gelte nach Ansicht des Bundespräsidenten: Abhöraktionen gegen hohe Repräsentanten eng befreundeter Nationen ließen sich nicht rechtfertigen. Gauck lasse sich über die Angelegenheit informieren.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) reagierte entsetzt: «Das ist schier unglaublich.» Das Vertrauensverhältnis zu den USA sei gestört. «Man kann nicht einseitig die ganze Welt ausspähen.»

Im Sommer war durch Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Snowden bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst seit Jahren weltweit im großen Stil den Datenverkehr abhört. Ungeklärt ist, ob auch die Kommunikation von Bundesbürgern betroffen ist. Merkel hatte in der NSA-Affäre Anfang Juli mit Obama telefoniert. Die Geheimdienste beider Länder vereinbarten eine noch engere Kooperation. Deutsche und US-Dienste arbeiten seit Jahren im Kampf gegen den Terrorismus zusammen und tauschen Material aus.

Bundesregierung / Geheimdienste / USA
24.10.2013 · 22:42 Uhr
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