Mehr als 700 Erdbeben-Tote in Chile

Santiago de Chile (dpa) - Das schwerste Erdbeben seit 50 Jahren hat Teile Chiles zerstört und nach Angaben von Präsidentin Michelle Bachelet mindestens 708 Menschen das Leben gekostet. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigen wird.

Nach Behördenangaben sind rund zwei Millionen Menschen von dem mächtigen Erdbeben betroffen, das das südamerikanische Land am Samstag mit einer Stärke von 8,8 erschüttert hatte.

Angesichts sich ausweitender Plünderungen erklärte Bachelet am Sonntag für 30 Tage den Ausnahmezustand in den besonders betroffenen Regionen Maule und Bío Bío. Für die Stadt Concepción wurde bis auf weiteres eine nächtliche Ausgangssperre angeordnet.

Verteidigungsminister Francisco Vidal kündigte die Entsendung von 10 000 Soldaten an, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. «Wir stehen vor einer Katastrophe von so großem Ausmaß, dass es einer gigantischen Anstrengung aller Teile der Gesellschaft bedarf, sie zu überwinden», sagte die Staatschefin.

Bachelet bittet Ausland um Hilfe

Erstmals bat Bachelet auch das Ausland um Hilfe. Chile benötige Unterstützung für Krankenhäuser, Behelfsbrücken, Kommunikationseinrichtungen, Rettungsexperten, Statiker und Wasserentsalzungsanlagen. «Die UN, insbesondere der Nothilfekoordinator, stehen bereit», sagte Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Der gewählte Präsident Sebastián Piñera, der sein Amt am 11. März übernimmt, kündigte einen nationalen Plan «Wiederaufbau Chile» an.

Auf dem erheblich beschädigten internationalen Flughafen von Santiago landete am Sonntag erstmals wieder eine Passagiermaschine. Die EU-Kommission gibt drei Millionen Euro als Soforthilfe. Erste Hilfsmannschaften aus Deutschland machten sich auf den Weg ins Katastrophengebiet. Über deutsche Opfer lagen dem Auswärtigen Amt in Berlin keine Informationen vor.

Für nahezu die gesamte Pazifik-Region war nach dem mächtigen Beben Tsunami-Alarm gegeben worden, die Wassermassen trafen jedoch vor allem die chilenische Küste und richteten zusätzliche große Zerstörungen an. In Hawaii, Japan und Russland blieben die befürchteten Riesenwellen aus.

Ein Erdbeben der Stärke 8,8 gilt als Großbeben. Damit war das Beben nach Einschätzung von Experten bis zu hundertmal heftiger als die Erdstöße der Stärke 7,0, die am 12. Januar Haiti erschüttert hatten. Das heftigste je auf der Erde gemessene Beben hatte eine Stärke von 9,5 und ereignete sich 1960 ebenfalls in Chile. Damals starben 1655 Menschen.

Verzweiflung und Chaos

Das Ausmaß der Katastrophe werde frühestens in drei Tagen feststehen, sagte die Leiterin des Zentrums für Katastrophenschutz, Carmen Fernández. Die Lage war von zunehmender Verzweiflung und Chaos geprägt. Die stark beschädigte Infrastruktur erschwerte Hilfsmaßnahmen. Bachelet kündigte an, dass die Verteilung von Grundnahrungsmitteln unmittelbar bevorstehe.

Vor allem in Maule und Bío Bío galten zahlreiche Menschen noch als vermisst. Die genaue Zahl der Obdachlosen war zunächst unbekannt. Bachelet hatte am Vortag von 1,5 Millionen zerstörten oder beschädigten Wohnungen gesprochen. Die Politikerin versuchte, ihren geplagten Landsleuten Mut zu machen: «Wie bei früheren Katastrophen werden wir auch diese Probe bestehen», sagte sie im Fernsehen.

In der besonders betroffenen Stadt Concepción lieferten sich die Rettungsmannschaften einen Wettlauf mit der Zeit. Dort war bei dem Beben ein Wohnhaus mit 14 Stockwerken in zwei Teile zerbrochen. Bisher seien etwa 50 Menschen lebend aus den Trümmern befreit worden. Es sollen aber immer noch viele Menschen verschüttet sein. Das Epizentrum des Bebens lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte etwa 92 Kilometer nordwestlich von Concepción.

Fernández versicherte, es werde alles unternommen, um die Lage der Menschen zu erleichtern. Vielerorts gab es weder Wasser noch Gas oder Strom. Die Telefonverbindungen über das Festnetz und über Handy waren entweder unterbrochen oder stark überlastet.

Die Sicherheitskräfte waren zunächst völlig überfordert. In Concepción plünderten hunderte Menschen Supermärkte und Apotheken. «Wir haben keine Milch, nichts für die Kinder», jammerte eine weinende Frau, während sie vor der aufgebrochenen Laderampe eines Supermarktes ein Zehnerpaket H-Milch umklammerte. Die erst spät eintreffenden Sicherheitskräfte bekamen die Lage nicht in den Griff. «Die Situation war von Anfang an völlig chaotisch. Wir tun, was wir können», sagte der Polizist Jorge Córdova der dpa.

Wassermassen treffen chilenische Küste

Während die befürchteten Riesenwellen über den Pazifik ausblieben, verschlimmerten die Wassermassen in Chile das Elend noch weiter. «Es bebte und dann kam das Meer in unser Haus, es reichte uns bis zum Hals», sagte eine Einwohnerin von Iloca im Süden des Landes. In der Stadt Talcahuano wurden selbst größere Schiffe bis ins Stadtzentrum geschwemmt, im Hafen lagen riesige Seecontainer wie Streichhölzer durcheinander.

«Das Wasser hat alles, aber auch alles fortgerissen», sagte ein Überlebender aus dem kleinen Küstenort Boyecura. Die Marine räumte inzwischen ein, dass ihr ein schwerer Fehler unterlaufen sei, weil sie zunächst eine Flutwelle ausgeschlossen hatte. Die meisten Menschen in den Küstenorten hatten sich dennoch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Auf der chilenischen Insel Robinson Crusoe, rund 670 Kilometer westlich von Südamerika, wurden fast alle Gebäude zerstört. Dort starben mindestens fünf Menschen in den Wassermassen, elf wurden noch vermisst.

Mehr als 70 Nachbeben

Nach dem Mega-Beben wurden mehr als 70 Nachbeben mit einer Stärke von mindestens 4,9 registriert, berichtete die US-Geologiebehörde USGS. Auch der Norden Pakistans wurde am Sonntag von einem Erdbeben der Stärke 6,2 erschüttert. In Argentinien hatte die Erde ebenfalls gebebt, die südjapanische Inselprovinz Okinawa war am frühen Samstag von einem Erdbeben der Stärke 6,9 heimgesucht worden - es verlief jedoch glimpflich.

Erdbeben / Chile
28.02.2010 · 21:38 Uhr
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