Mario Draghi fordert radikale Reform der EU-Wettbewerbspolitik
Der frühere italienische Premierminister Mario Draghi hat in einem umfassenden Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit eine grundlegende Überarbeitung der Wettbewerbspolitik der EU vorgeschlagen. Draghi kritisiert, dass die europäische Fokussierung auf niedrige Verbraucherpreise nicht mehr zeitgemäß sei und europäische Unternehmen im globalen Wettkampf um Skalierung und Innovation benachteilige.
Der Bericht sieht unter anderem vor, dass Unternehmen mehr Freiheiten erhalten sollen, um bei Investitionen mit Wettbewerbern zusammenzuarbeiten. Zudem schlägt Draghi vor, Fusionen nicht nur vorab zu prüfen, sondern diese auch nach ihrer Genehmigung weiter zu überwachen. Dies soll gewährleisten, dass Absprachen und Marktmacht nicht zum Nachteil der Verbraucher genutzt werden. Besonders für Märkte wie die Telekommunikation empfiehlt Draghi, Zusammenschlüsse auf EU-Ebene zu bewerten, selbst wenn diese auf nationaler Ebene zu dominanten Marktpositionen führen.
Eine der drastischsten Änderungen wäre die Neuausrichtung der Wettbewerbspolitik im Hinblick auf Innovationen und technologische Entwicklungen. Draghi argumentiert, dass Fusionen erlaubt werden sollten, wenn sie das Potenzial haben, langfristig Investitionen zu fördern, wobei Unternehmen nachträglich überprüft würden, ob diese Versprechen eingehalten werden.
„Der Wettbewerb sollte zukunftsorientierter sein und nicht nur auf präventiven Ansätzen basieren“, erklärte Draghi am Montag gegenüber Reportern. Er fügte hinzu, dass es nicht notwendig sei, die EU-Fusionskontrollregeln oder die Beihilferegelungen zu ändern, sondern lediglich die internen Leitlinien der Kommission anzupassen, um diese „zweckmäßig“ zu gestalten.
Während Draghis Vorschläge bei einigen EU-Offiziellen auf Zustimmung stoßen, warnen Kritiker, dass diese Änderungen die Wettbewerbsregeln zugunsten großer Konzerne aufweichen könnten. Ein hoher EU-Beamter bezeichnete die Pläne als „Wahnsinn“, da sie die Wettbewerbspolitik schwächen und zu höheren Preisen sowie geringeren Investitionsanreizen führen könnten.
Dennoch spiegelt Draghis Bericht den politischen Trend in Brüssel wider. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits im Juli eine „neue Herangehensweise“ gefordert, die es europäischen Unternehmen ermöglichen soll, in globalen Märkten wettbewerbsfähiger zu werden.