L’Oréal investiert in Europa und KI – DACH-Region wird strategischer Anker im globalen Umbau
L’Oréal wird europäischer. Weil Luxusmärkte in Asien schwächeln und US-Verbraucher unter Trump sparsamer werden, rückt die DACH-Region in den Fokus. Der weltgrößte Kosmetikkonzern will deshalb jährlich über zehn Millionen Euro in die Erweiterung seines Werks in Karlsruhe investieren. Dort entstehen bereits heute Produkte für 35 Länder, der Standort zählt zu den größten weltweit. Ziel ist eine nachhaltigere und stärker automatisierte Produktion.
Die wachsende Bedeutung Europas spiegelt sich in den Zahlen wider: Rund 50 Prozent des weltweiten Wachstums kamen 2024 aus der Region, im ersten Quartal 2025 waren es 40 Prozent. In Deutschland, Österreich und der Schweiz stiegen die Umsätze zuletzt drei Jahre in Folge zweistellig – je zu einem Drittel durch Preise, Volumen und Innovationen. Besonders stark wächst das margenstarke Hautpflegesegment, das zunehmend auch über Apotheken vertrieben wird.
Zugleich reagiert der Konzern auf verändertes Verbraucherverhalten. Während viele Markenartikelanbieter Absatzrückgänge hinnehmen müssen, weil Kunden auf Handelsmarken ausweichen, bleibt Kosmetik relativ stabil. Marken, die mit der Haut in Kontakt kommen, genießen offenbar größeres Vertrauen. L’Oréal profitiert dabei von seiner breiten Markenaufstellung – von günstigen Labels wie Maybelline und Garnier bis hin zu Premiummarken wie Lancôme und Yves Saint Laurent.
Um die eigene Sichtbarkeit im fragmentierten Konsumentenmarkt zu steigern, setzt der Konzern massiv auf Social Media. Vor allem Mikro- und Nano-Influencer werden über die Plattform „Lorealistar“ eingebunden. Sie tauschen erzielte Punkte gegen Produkte oder Eventteilnahmen. „Kleinere Influencer wirken authentischer“, sagt DACH-Chef Jean-Christophe Letellier. Besonders auf Tiktok, wo 55 Prozent der 14- bis 27-Jährigen unterwegs sind, ist die Markenkommunikation direkter und messbarer.
L’Oréal testet auch den Einsatz Künstlicher Intelligenz, um Werbung kanal- und zielgruppengerecht auszuspielen. So wird entschieden, ob eine Marke über Instagram, Tiktok oder Gaming-Plattformen sichtbar wird. Im Spiel „Fortnite“ etwa bewirbt die Männerlinie „Men Expert“ ihre Produkte – ein Versuch, den bislang unterrepräsentierten Zielmarkt der Männer (10–20 Prozent Anteil) auszubauen.
Das Onlinegeschäft bleibt dennoch überschaubar. Während L’Oréal in Großbritannien auf Tiktok breiter vertreten ist, beschränkt sich das deutsche Engagement bisher auf Maybelline. Dennoch zeigt sich der Konzern optimistisch: In Großbritannien stiegen durch Tiktok-Kampagnen auch die stationären Verkäufe.
Intern arbeitet Letellier, seit Juli 2024 CEO der DACH-Region, an einem Mentalitätswandel. Über regelmäßige „Fuck-up Apéros“ wird offener über Fehler gesprochen, um Risikobereitschaft zu fördern. „Wir sollten keine Angst haben zu scheitern – nur davor, es nicht versucht zu haben“, lautet sein Credo.
Sorge bereitet ihm hingegen die zunehmende Regulierung in Europa. Besonders die geplante Kostenbeteiligung der Kosmetikbranche am Klärwerksausbau empfindet er als unverhältnismäßig. „Wenn Regulatorik Innovation verhindern sollte, ist niemandem geholfen“, mahnt Letellier – und stellt damit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Industrie insgesamt zur Debatte.