Little Town Hero – das neue Spiel der Pokémon-Schmiede im Test
Als Little Town Hero als neues Spiel der Game Freak-Schmiede angekündigt wurde, haben sich natürlich alle gefragt, wie viel Pokémon in diesem Spiel stecken wird. Den geneigten Videospielliebhabenden dürfte allerdings klar gewesen sein, dass Little Town Hero nicht die erste neue Spielidee nach dem Massenphänomen ist. Dementsprechend haben wir uns schon darauf eingestellt, etwas Neuartigeres im Spiel zu finden. Und gerade was das Gameplay angeht, wurden wir nicht enttäuscht. Inwiefern Game Freak hier aber frischen Wind in ein grobes RPG-Gerüst packt, könnt ihr in den folgenden Zeilen nachlesen. Vielleicht hilft euch das auch bei der Entscheidung, wie viel Wert ihr unserer Wertung beimessen wollt.
Ich seh nur gute Menschen!
Das Dorfleben ist nicht jedermanns Sache. Alle Menschen kennen sich untereinander, alle haben bestimmte Erwartungen an einen und sobald irgendetwas passiert, wissen direkt alle Bescheid. Gerade junge Menschen zieht es daher schnell aus dem Dorf hinaus in die Stadt. Doch leider ist genau das ein großes Problem für unseren kleinen Helden Axe. Er lebt nämlich in einem kleinen Dorf, das nicht verlassen werden darf. Der einzige Ausweg aus dem Dorf ist durch das große Schloss. Da es hinter diesen Mauern allerdings vor Monstern wimmeln soll, ist es allen Menschen des Dorfes untersagt, in die Welt hinaus zu reisen. Das hält den kleinen Rotschopf natürlich nicht davon ab, einen Fluchtversuch zu starten.
Seine Streiche und Spielereien sind allerdings nicht das größte Ärgernis, mit dem sich die restlichen Anwohnenden herumschlagen müssen. Plötzlich tauchen nämlich Monster innerhalb des kleinen Dörfchens auf. Zum Glück hat Axe bei seiner Arbeit in den Minen einen seltsamen Edelstein gefunden. Dieser verleiht ihm große Kräfte, wie er im spielerischen Training herausfinden darf. Außerdem wurde ein Ritter aus dem Schloss im Dorf abgestellt, der dem kleinen die nötigen Kniffe im Kampf beibringt, da er selbst zu alt für die großen Auseinandersetzungen ist. Axe sieht das natürlich als große Chance, sich zu beweisen. Schlägt er alle Monster, ernennt ihn der König des Schlosses vielleicht selbst zu einem Soldaten und er kann so endlich die Welt außerhalb der Mauern erkunden.
Frischer Wind in Little Town Hero
Die Kämpfe in Little Town Hero sind dann auch das besondere an diesem Titel. Die Hier verwendete Mechanik ist so originell, dass wir sie euch tatsächlich genau erklären müssen, damit ihr durchblickt. In einem rundenbasierten Ablauf tauchen rund um euch einige Ideen auf, die sogenannten „Izzits“. Diese sind zufällig aus eurem Gedankenpool zusammengestellt. Jeder Izzit kostet eine bestimmte Anzahl an Punkten, um sie in „Dazzits“ zu verwandeln. Eure Dazzits könnt ihr dann gegen die geplanten Attacken der Gegner einsetzen. Dabei werden die Angriffs- und Verteidigungswerte der Dazzits gegeneinandergestellt. Zerstört Ein Dazzit mit seinen Angriffspunkten alle Verteidigungspunkte des anderen, bricht dieser Dazzit. Eure Aufgabe ist es nun, alle Dazzits des Gegners zu brechen. Habt ihr dann noch einen Angriffs-Dazzit aktiv, könnt ihr in einer weiteren Phase die Lebenspunkte des Gegners angreifen.
In eure Planung einbeziehen müsst ihr dann noch, ob ihr zum Beispiel einen defensiven Dazzit nutzt, die in einer Runde mehrmals eingesetzt werden können, bis sie zerstört sind. Offensive Dazzits hingegen können pro Runde nur einmal eingesetzt werden. Habt ihr am Ende des Zuges keinen mehr übrig, könnt ihr nach einem kompletten Break des Monsters auch nicht die Lebenspunkte angreifen. Zu guter Letzt gibt es noch blaue Dazzits. Die wirken ähnlich wie Zauberkräfte und stärken zum Beispiel eure anderen Fähigkeiten oder schwächen den Gegner. Nach jeder Runde lauft ihr dann ein bis vier Stationen im Dorf weiter. Dabei könnt ihr entweder vor den Häusern mancher Dorfbewohner*innen landen, die euch ebenfalls im Kampf unterstützen oder ihr landet auf einem Feld mit besonderen Gegenständen, die euch helfen könnten.
Das Dorfleben steckt voller Probleme
Little Town Hero bietet so in seinem Kampfsystem eine enorme taktische Tiefe. Wann aktiviert ihr welche Dazzits, in welcher Reihenfolge nutzt ihr sie? Welche Fähigkeit hilft euch gerade am ehesten? Je länger ein Kampf dauert, desto mehr Punkte stehen euch zur Aktivierung der Dazzits zur Verfügung. Umso stärker werden jedoch auch eure Gegner. Und stellt euch darauf ein, dass viele Kämpfe sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Der hohe Grad an Taktik im Rundensystem zieht sich enorm. Manchmal wären uns knackigere Kämpfe deutlich lieber gewesen, so schön das implementierte Knobeln und das Aufrüsten eurer Gedanken durch gewonnene Eureka-Points auch motiviert. Nach vielem Kämpfen brauchten wir erst einmal eine Verschnaufpause und haben das Spiel weggelegt.
Ein weiterer Punkt, den wir damit einhergehend kritisieren müssen, ist der, das bei der Ausgereiftheit der Auseinandersetzungen alle anderen Spielelemente etwas zu kurz gekommen zu sein scheinen. So stehen euch zwar immer wieder Nebenquests oder kleinere Rätsel vor der Tür, die aber allesamt reines Hin- und Herlaufen benötigen. Einen wirklichen Mehrwert bieten sie euch nicht. Zwar lernt ihr so die Charaktere des Dorfes etwas besser kennen, allerdings sind diese meist reine Abziehbildchen diverser Videospiel- und Animeklischees. Hätten die Figuren mehr charakterliche Tiefe zu bieten, wäre es kein Problem, dass die Nebenquests hauptsächlich aus dem Ablaufen von Dialogen bestehen. So ziehen sie das Spiel meist nur in die Länge.
Feinschliff? Ich weiß ja nicht…
Nehmt ihr jedoch alle Dialoge und alle Quests mit, dürfte euch schnell die akustische Untermalung auffallen. Die ist nämlich unfassbar nervig. Dabei reden wir nicht von den Melodien, die im Hintergrund dudeln. Die sind allesamt ganz nett, auch wenn kein Stück davon Kultpotential erreichen wird, wie es Game Freaks Pokémontitel geschafft mit ihrem Soundtrack haben. Da Nintendo sich hier die Dienste vom Undertale-Entwickler Toby Fox gesichert hat, wurde hier auch auf eine sichere Bank gesetzt. Wir meinen vor allem die Soundeffekte, die jedem Charakter als Stimme gegeben wurden. Diverse Hupgeräusche, Tröt-Töne und sonstige Laute ohne eine Option, diese Elemente auszuschalten, die nicht auch direkt jegliche Sounduntermalung abstellt, hat uns wahnsinnig gemacht. Da die Geschichte an sich auch nicht vor Tiefgang strotzt, hätten wir uns gewünscht, viele Dialoge einfach überspringen zu können. Aber leider entschied sich Game Freak dazu, mit Little Town Hero unser Nervenkostüm gehörig auf die Probe zu stellen.
Und das ist wirklich schade. Die allgemeine Präsentation des Spiels mutet auf den ersten Blick wirklich schön an. Knallig bunte Farben, knuffige Designs der Menschen und Monster und eine cartoonige Mimik aller Figuren könnten die Einzelheiten der Welt zu absoluten Sympathieträgern werden lassen. Zumindest, wenn man in der Lage ist, bei den Wegen durch die Stadt die geringe Sichtweite, Framerateabstürze und größere Hänger im Spielablauf zu entschuldigen. Aber auch das klappt alles nicht so reibungslos, wie man es sich wünschen würde.
Fazit
Little Town Hero hat also viele Macken. Manche davon kleiner, manche größer. Es ist weit davon entfernt, ein perfektes, auf Glanz poliertes Spiel zu sein. Dem stehen technische Probleme, nervige Soundelemente und langatmige Kampfsequenzen im Weg. Und trotzdem ist das Kampfsystem als solches erfrischend und herausfordernd genug, dass man sich immer mal wieder für ein Kapitel der Geschichte an die Switch setzen möchte. Ihr dürft keinen Meilenstein der Videospielgeschichte erwarten. Das würde euch nur enttäuschen. Die frische Mischung aus Taktik- und Rollenspielelementen ist aber trotzdem einen Blick für ein paar unterhaltsame Spielstunden wert.