Lidl setzt die Segel – Warum der Discounter jetzt Frachtschiffe betreibt
Lidl hat Frachtschiffe. Klingt erst mal verrückt, oder? Aber der Discounter hat sich während der Corona-Pandemie entschieden, seine Lieferketten selbst in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis? Eine eigene Reederei mit dem Namen Tailwind, 30.000 Container und eine Flotte von neun Frachtschiffen, die Waren aus Asien nach Europa bringen.
Was macht Lidl da? Ganz einfach: Die Lieferketten der großen Schifffahrtsunternehmen wurden in den letzten Jahren unberechenbar. Verspätungen, Preisexplosionen und Hafenchallenges – all das hat den Einzelhändlern ordentlich zugesetzt. Also entschloss sich Lidl, das Problem auf eigene Faust zu lösen.
„Wir leben in einer politisch instabilen Welt“, sagt Christian Stangl, der Chef der Reederei. „Dadurch sind die Lieferketten fragiler als früher.“
Und Lidl? Reagiert, indem es selbst zur maritimen Macht wird – zumindest für die eigenen, zeitkritischen Produkte.
Warum eine eigene Reederei?
Die Antwort ist simpel: Kontrolle. Wenn Grillgeräte oder Weihnachtsdekoration zu spät kommen, gehen Lidl Millionen durch die Lappen. Die eigene Reederei sorgt dafür, dass das Timing stimmt – zumindest bei den wichtigen Produkten. Und der Vorteil? Lidl kann sich von den Preisschwankungen und der Unzuverlässigkeit der großen Reedereien ein Stück weit unabhängig machen.
Interessant dabei: Lidl nutzt Tailwind nicht nur für sich selbst. Zwei Drittel der Container sind zwar mit Eigenware gefüllt, aber der Rest? Der wird an externe Kunden vermietet. Ein kluger Schachzug, der dafür sorgt, dass die Schiffe immer gut ausgelastet sind.
Schneller als die Konkurrenz
Die Zahlen sprechen für sich. Auf den Routen von Südchina nach Europa spart Tailwind im Vergleich zur Konkurrenz rund sieben Tage Reisezeit.
Kein Wunder: Die Schiffe legen nur in wenigen Häfen an, was den gesamten Prozess beschleunigt. Bei den großen Reedereien sieht das anders aus – viele Stopps, lange Liegezeiten und Verzögerungen sind keine Seltenheit.
„Unser wichtigstes Ziel ist es, die zugesagten Transportzeiten einzuhalten“, sagt Stangl.
Und das scheint zu klappen. Die Pünktlichkeitsquote liegt bei 80 Prozent – und damit deutlich höher als bei vielen etablierten Reedereien.
Die Kehrseite: Umweltsorgen
Doch es gibt auch Kritik. Tailwind setzt auf relativ kleine Schiffe, was bedeutet, dass der CO₂-Ausstoß pro Container deutlich höher ist als bei den großen Frachtern. Hinzu kommt, dass die Schiffe mit Schweröl fahren, einem der umweltschädlichsten Treibstoffe.
Lidl setzt in Meeresschutzgebieten zwar auf Marinediesel und versucht, den Verbrauch zu optimieren, aber das reicht vielen Kritikern nicht.
„Die Umweltbilanz ist deutlich schlechter als bei den großen Frachtern“, sagt Logistikexperte Otto Schacht.
Der große Plan: Mehr als nur Frachtschiffe
Doch Lidl denkt längst weiter. Die Frachtschiffe sind nur ein Teil des Puzzles. Der Discounter hat sich auch an der Spedition Gartner beteiligt, einem der größten Straßentransporteure Europas, und übernimmt zudem Zugverbindungen in Europa.
Das Ziel? Die komplette Lieferkette selbst steuern – vom Hafen bis ins Regal.
Es geht also nicht nur darum, die eigenen Produkte pünktlich in den Läden zu haben. Lidl baut ein eigenes Logistiknetzwerk auf, das es langfristig unabhängiger von externen Anbietern macht – auf der Straße, der Schiene und dem Meer.
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Mit der Gründung der eigenen Reederei zeigt Lidl, dass es nicht nur im Supermarkt-Geschäft mitspielen will. Der Discounter hat verstanden, dass in einer Welt, die zunehmend von Unsicherheiten geprägt ist, Kontrolle über die eigene Lieferkette entscheidend sein kann. Tailwind ist der Anfang – und es wird spannend zu sehen, wie weit Lidl in den kommenden Jahren noch gehen wird.