Justitia zeigt zur WM Herz für Häftlinge
Doch nicht jeder kann die Spiele schauen. Brandenburgs Justizminister Volker Schöneberg (Linke) zeigte jedoch Herz. Der Eishockey- und Fußball-Fan verfügte, dass die jungen Straftäter in der Jugendarrestanstalt Königs Wusterhausen später in ihre Zellen eingeschlossen werden als sonst. Anlass: das entscheidende Spiel zwischen Deutschland und Ghana. Gnade, die Justitia bundesweit walten lässt: Wenn Sicherheit und Organisation es zulassen, zeigen sich die Haftanstalten flexibel, wie eine dpa- Umfrage ergab.
«Die Bediensteten dürfen die Deutschlandspiele in der Dienstzeit schauen», schildert der Leiter des Kölner Gefängnisses, Michael Thewalt. «Ab dem Viertelfinale gilt das dann für alle Spiele.» Voraussetzung: Die rund 380 Vollzugsbeamten vernachlässigen ihre Aufgaben nicht und es gibt keine Probleme mit den Häftlingen. Der Fernseher im Freizeitraum kann zum gemeinsamen Gucken genutzt werden. «Außerdem können sich die Gefangenen gegenseitig besuchen und Spiele schauen», erklärt Thewalt.
Die Einschlusszeit soll aber zunächst beibehalten werden: Spätestens um 22.00 Uhr - so ist es in einer Vielzahl der deutschen Anstalten üblich - müssen die Häftlinge in ihre eigene Zelle. Ein gemeinsames Fußball-Spiel vor der Mattscheibe erfährt damit ein abruptes Ende. In der Regel sitzen darum die meisten erwachsenen Gefangenen alleine vor dem TV-Gerät. Da der Großteil der Insassen über ein eigenes Gerät verfügt, kein Problem - aber einsam. Public Viewing in Haft - überwiegend eine Illusion.
«Wir werden des Tagesablauf nicht umstricken, weil Deutschland spielt», betont Lars Hoffmann von Deutschlands größtem Gefängnis Berlin-Tegel mit derzeit über 15 000 Häftlingen. «Wenn die Deutschen die Vorrunde überstehen sollten und es ins Finale oder Halbfinale schaffen, kann man noch einmal darüber reden, ob es doch eine Ausnahme gibt», meinte der Sprecher.
In Herford (Nordrhein-Westfalen) überlegen die Verantwortlichen dagegen, die Einschlusszeiten an die Spielzeiten anzupassen. Voraussetzung: Die Bediensteten sind bereit, freiwillig ihre Dienstzeit danach auszurichten. «Hieran habe ich keine Zweifel», meinte Anstaltsleiter Friedrich Waldmann.
Anders das Bild in den meisten Jugendhaftanstalten in Deutschland: Fernsehen ist dort nur im Gemeinschaftsraum möglich. «Der Gemeinschaftsfernseher soll generell das Gemeinschaftsgefühl stärken - auch zur Weltmeisterschaft», erklärt der Leiter des Jugendgefängnisses Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern), Bernd Eggert. Die großzügige Lösung betrifft auch etwa 30 Insassen mit dem gemeinsamen Erleben des letzten Gruppenspiels der deutschen Nationalmannschaft.
In Thüringen gab es für die Straftäter in der Jugendanstalt Ichtershausen beim Spiel gegen Serbien «Public Viewing»: Eine Werkstatt wurde ausgeräumt und eine Leinwand aufgespannt. Sollte Deutschland ins Endspiel kommen, wird das wiederholt - aber nur dann. Doch auch sonst zeigt sich die Justiz freundlich: Das Ministerium habe angeregt, die Einschlusszeiten an den Spieltagen der deutschen Nationalmannschaft flexibel zu handhaben, berichtet eine Sprecherin. Damit ist das Team-Schauen auch in den anderen Gefängnissen in Thüringen möglich.
Dank Justizminister Schöneburg gilt das nun auch für die Jugendarrestanstalt in Brandenburg. Statt um 20.30 Uhr eingeschlossen zu werden, war das Live-Erlebnis beim abschließenden Vorrundenspiel der Deutschen für derzeit 15 Insassen möglich. Damit wissen die jungen Straftäter in Königs Wusterhausen mehr über ihr Abendprogramm am Mittwoch als ihr Gönner: Minister Schöneburg ist bei der Justizministerkonferenz in Hamburg - und die hat ein abendfüllendes Programm mit zahlreichen Verpflichtungen - keine Zeit zum WM-Gucken.