Jede vierte Klinik zahlt «Fangprämien» für Patienten

Berlin (dpa) - Viele Ärzte kassieren illegale Extra-Honorare für Überweisungen von Patienten an bestimmte Kliniken. Das geht aus einer Studie der Universität Halle-Wittenberg im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes hervor, die in Berlin offiziell vorgestellt wurde.

Danach zahle nahezu jede vierte Klinik (24 Prozent) sogenannte Fangprämien für Patienten, heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte (46 Prozent) der nichtärztlichen Leistungserbringer wie Sanitätshäuser, Hörgeräte-Akustiker oder Orthopädie-Schuhmacher hätten zugegeben, schon Vorteile wie Geld, Kostenübernahme von Tagungen oder Sachleistungen erhalten zu haben.

Aus Sicht der Krankenkassen deutet dies auf ein «erhebliches Korruptionspotenzial» im deutschen Gesundheitswesen hin. Der Spitzenverband will solche Praktiken nicht länger dulden: «Ärzte, die weiter an Zuweisungen gegen Entgelt festhalten, müssen damit rechnen, ihre Zulassung zu verlieren», drohte GKV-Spitzenverband-Vorstand Gernot Kiefer. Krankenhäusern dürften für die Zuweisung von Patienten weder Entgelte zahlen noch wirtschaftliche Vorteile gewähren oder versprechen.

Wenn etwa jeder fünfte Arzt die berufsrechtlichen Verbote nicht kenne und Zuweisungen gegen Entgelt zugleich als selbstverständlich ansehe, ist das - so Kiefer - «ein Skandal». Hochgerechnet hieße dies, dass mehr als 27 000 niedergelassene Vertragsärzte schon heute gegen das Berufsrecht verstießen. Die Ergebnisse ließen den Schluss zu: «Im deutschen Gesundheitswesen besteht erhebliches Korruptionspotenzial», sagte Kiefer. Von Einzelfällen könne man nicht mehr sprechen.

Laut Umfrage gab knapp ein Fünftel (19 Prozent) der befragten Ärzte an, das Verbot, sich an der Zuweisung von Patienten zu bereichern oder dafür Vorteile zu gewähren, nicht zu kennen. 40 Prozent hätten erklärt, dies nur als Handlungsempfehlung zu verstehen. 52 Prozent der Ärzte und 53 Prozent der nichtärztlichen Leistungserbringer hätten eingeräumt, sie seien sich mangelnder Kontrolle und der geringen Gefahr von Sanktionen bewusst.

Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery warf den Autoren der Studie Stimmungsmache gegen Mediziner vor. Im NDR Info zweifelte er die Zahlen an: Sollten sie stimmen, müsste es bei der Ärztekammer und den Staatsanwaltschaften viel mehr Anzeigen geben, sagte Montgomery. Er rief dazu auf, entsprechende Fälle auch anzuzeigen.

Nach den Worten von Kiefer müssen Patienten sicher sein, «dass ausschließlich medizinische und nicht monetäre Gründe» den Ausschlag für Überweisungen geben. Sollten Verbote wirkungslos bleiben, müsse das Korruptionsstrafrecht als «ultima ratio» zur Anwendung kommen.

Für die Studie, über die zunächst «Bild.de» berichtet hatte, wurden insgesamt 1141 niedergelassene Fachärzte, stationäre Einrichtungen und nichtärztliche Leistungserbringer befragt.

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach forderte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zum Eingreifen auf und sprach von «Mafia-Verhältnissen, die einen Riesen-Schaden verursachen». «Hier wird nicht der beste Arzt gesucht, sondern dahin überwiesen, wo das meiste Schmiergeld gezahlt wird.» Die SPD wolle durchsetzen, dass Ärzte in solchen Fällen künftig strafrechtlich wegen Bestechlichkeit belangt werden können.

Bestechungsvorwürfe wegen illegaler Prämienzahlungen waren zuletzt 2009 aufgekommen. Ärztevertreter hatten eingeräumt, dass Praxisärzte Prämien von Krankenhäusern für die Überweisung von Patienten erhalten hatten. Kliniken und Ärzte vereinbarten damals im Kampf gegen die Korruption die Einrichtung von «Clearingstellen» bei den Landesärztekammern. Diese wurden aber nach den Worten von Kiefer «so gut wie nicht genutzt».

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Studie zu Fangprämien
Gesundheit / Krankenhäuser
22.05.2012 · 12:56 Uhr
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