Werften

Insolvenzanträge für Windhorst-Werften - die Zeit drängt

12. Dezember 2024, 18:38 Uhr · Quelle: dpa
Nun doch: Seit Monaten dauert die Hängepartie bei den Werften FSG in Flensburg und Nobiskrug in Rendsburg. Mit Insolvenzanträgen beginnt eine neue Phase. Die Zeit ist knapp.

Flensburg/Rendsburg (dpa) - Die beiden schleswig-holsteinischen Werften FSG (Flensburg) und Nobiskrug (Rendsburg) stehen wieder einmal vor einer ungewissen Zukunft. Für vier Gesellschaften der Werftengruppe des Investors Lars Windhorst haben die Amtsgerichte Flensburg und Neumünster Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet, wie Sprecher der vorläufigen Insolvenzverwalter mitteilten. 

Betroffen sind die FSG-Nobiskrug Holding GmbH, die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft mbH, die Nobiskrug Yacht GmbH sowie die FSG Nobiskrug Design GmbH. Nicht insolvent seien die FSG Immobilien GmbH und die Nobiskrug Immobilien GmbH. Die beiden Werften gehören zur Tennor-Gruppe von Windhorst. Sie haben seit langer Zeit Probleme.

Derzeit verschafften sich Christoph Morgen und Hendrik Gittermann als vorläufige Insolvenzverwalter mit ihren Teams einen Überblick über die jeweilige wirtschaftliche Situation der Schiffbauunternehmen. Die Anträge auf Insolvenz seien von Sozialversicherungsträgern gestellt worden, sagte Gittermann. Das sei bei einem Verfahren dieser Größenordnung ungewöhnlich. 

Erschreckende Erkenntnisse 

Morgen sprach von ersten «etwas erschreckenden Erkenntnissen» und einer «gewissen Verantwortungslosigkeit der Geschäftsführung». «Löhne und Gehälter sind mal wieder seit 14 Tagen nicht bezahlt, Sozialversicherungsabgaben nicht abgeführt, Jahresabschlüsse seit über zwei Jahren nicht erstellt», sagte er nach einer Betriebsversammlung. Mehr als 150 Zwangsvollstreckungsaufträge häuften sich in den Büros und die Kassen seien leer. «Der Strom droht abgedreht zu werden.» 

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) sagte in Flensburg mit Blick auf Windhorst, einen dermaßen rücksichtslosen Unternehmer habe er noch nicht erlebt. Allein dass man über Monate Gehälter nur schleppend oder gar nicht zahlt, sei verantwortungslos, sagte Madsen. Es seien nicht einmal Versicherungen bezahlt worden, Maschinen hätten keinen TÜV - «einen viel schlimmeren Eindruck konnte man eigentlich nicht bekommen. Das hat mich ziemlich erschreckt und auch bedrückt».

Wie hoch die Verbindlichkeiten seien, könnten sie noch nicht genau sagen, sagte Morgen. «Aber nach den eigenen Angaben der Unternehmensgruppe sind es über die Gruppe mindestens rund 20 Millionen Euro.»

Wie geht es nun weiter?

Man kümmere sich jetzt schnellstmöglich darum, dass die Novembergehälter ausgezahlt werden, sagte Morgen. Nach der ersten Stabilisierung gehe es darum, jemanden zu finden, der die Betriebe weiter führt. «Unsere Telefone stehen nicht still. Es gibt Interessenten», so Morgen. Eine Lösung werde bis Ende Januar gebraucht.

Die vorläufigen Insolvenzverwalter werden eigenen Angaben zufolge nun mit den Auftraggebern für die zwei bereits begonnen Schiffsbauten in Flensburg (RoRo-Fähre) und Rendsburg (Superjacht) aufnehmen. Falls erforderlich, wollten sie anschließend mit Bundes- und Landesregierung über Möglichkeiten der Unterstützung bei der Zwischenfinanzierung von Baukosten bis zur Abnahme und Zahlung durch die Auftraggeber sprechen. Parallel würden weitere Optionen für eine Sanierung der renommierten Werften erarbeitet.

Werftgeschichte mit Höhen und Tiefen

In der mehr als 150-jährigen Geschichte der FSG stand die Werft mehrfach vor dem Aus. Doch es fand sich bislang immer jemand, der sie vor dem Untergang bewahrte. 2014 übernahm der norwegische Schifffahrts- und Offshorekonzern Siem Industries die FSG von einem Münchner Investor. Anfang 2019 stieg Investor Windhorst in die Werft ein, im Spätsommer desselben Jahres übernahm seine Investmentgesellschaft Tennor die damals schon angeschlagene Werft ganz.

Im Frühjahr 2020 musste nach einem geplatzten Schiffsgeschäft Insolvenz beantragt werden. Zum 1. September 2020 übernahmen mehrere zu Tennor gehörende Gesellschaften die Werft und 350 der damals rund 600 Beschäftigten. 

Für den Neustart hatte Windhorst eine relativ gute Ausgangsposition geschaffen, denn die neue «FSG 2.0» startete ohne Altschulden und Verbindlichkeiten. Allerdings auch ohne Aufträge. Ein knappes Jahr später übernahm die FSG den insolventen, renommierten Superjachtenbauer Nobiskrug in Rendsburg.

Wirtschaftsminister wollen helfen und sehen Potenzial der Werften

Minister Madsen sagte, die Bürgschaftsbank habe schon ihre Bereitschaft erklärt, unterstützend zu sein. «Wir haben versprochen in Bankengespräche mit einzusteigen, einfach um zu zeigen, dass wir eine gemeinsame Zielsetzung haben.» Er glaube, es sei jedem klar, für die nationale Sicherheit und die Energiesicherheit brauche man Werften. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) teilte mit, der Schritt der Insolvenz sei nicht überraschend gekommen. «Aber es könnten Aufträge generiert werden, etwa im Bereich der Offshore-Konverter.» Dort bestehe ein hoher Bedarf im Zuge des Ausbaus der Offshore Windenergie. «Nun besteht die Chance für eine Neuaufstellung. Diese muss genutzt werden.» Er wolle alles tun, um dabei zu unterstützen. 

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), Reinhard Lüken, betonte, «wir sind erleichtert, dass der Gesellschafter den Weg frei macht, damit die beiden Werften endlich saniert und weiterentwickelt werden können». Der Bedarf an Schiffbaukapazitäten sei riesig, und die Standorte FSG und Nobiskrug seien unverzichtbar. 

Belegschaft froh, dass sich was tut

Viele Hoffnungen gerade auch der Belegschaft ruhen darauf, dass Windhorst künftig keine Rolle mehr spielen wird. Der Investor wurde für sein Verhalten, leere Versprechungen und mangelnde Kommunikation immer wieder von vielen Seiten kritisiert. 

«Das was Windhorst mit uns allen gemacht hat, ist nicht in Worte zu fassen», sagte FSG-Betriebsratchef Jan Brandt. Er könne für sich und wohl auch einen Großteil der Belegschaft sprechen, wenn er sage,«wir sind froh, dass was passiert». Und sein Rendsburger Kollege Marcus Stöcken betonte, man sei die Lügen von Windhorst leid und die meisten freuten sich, dass der Zustand sich ändere. «Natürlich wissen wir nicht, wo das hinführt, aber das hier heute Veränderung herbeigeführt wird, ist ein positives Zeichen.»

Schiffbau / Schleswig-Holstein
12.12.2024 · 18:38 Uhr
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