Hölle bei der Loveparade - Katastrophe mit Ansage?

Duisburg (dpa) - Sie wollten zur Party und erlebten die Hölle. 19 Menschen starben bei einer Massenpanik auf der Loveparade in Duisburg. Im Gedränge an einem Zugangstunnel wurden sie erstickt, zerquetscht und totgetreten. Mehr als 340 Raver erlitten in dem Nadelöhr teils schwerste Verletzungen. Viele mussten wiederbelebt werden.   

Organisatoren, die Stadt Duisburg und die Polizei sehen sich harten Vorwürfen ausgesetzt. Die Aufklärung liegt nun in Händen der Staatsanwaltschaft. Bereits vor der Technoparty hatte es Warnungen vor einer Katastrophe gegeben. Die Loveparade soll laut Veranstalter nie mehr stattfinden.

Die Toten waren zwischen 18 und 38 Jahre alt, 11 Frauen und 8 Männer. 11 der Opfer waren Deutsche. Hinzu kommen zwei Menschen aus Spanien sowie Raver aus den Niederlanden, Australien, Italien, China, Spanien und Bosnien.

«Dieses Unglück ist so entsetzlich, dass man es nicht in Worte fassen kann», sagte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) am Sonntag. Sauerland steht schwer in der Kritik. Wegen des komplizierten Zugangs durch Unterführungen zu dem abgeschlossenen Gelände zwischen einer Autobahn und Bahngleisen hatten Experten bereits vor der Technoparade Bedenken am Sicherheitskonzept geäußert.

Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nach Informationen von «Spiegel online» deutliche Sicherheitslücken. So sei der Veranstalter von der Einhaltung der vorgeschriebenen Breite der Fluchtwege befreit worden. Zugleich sei das Gelände aber ausdrücklich nur für 250 000 Menschen zugelassen gewesen. Kurz vor der Tragödie hatten Stadt und Veranstalter die Gesamtzahl der Teilnehmer selbst auf rund 1,4 Millionen Menschen geschätzt.

Bundespräsident Christian Wulff und führende Politiker der großen Parteien haben eine rückhaltlose Aufklärung des Unglücks gefordert.

Bochums früherer Polizeipräsident Thomas Wenner (62) will Sauerland anzeigen. Der Onlineausgabe der «Bild-Zeitung» sagte Wenner: «Ich zeige den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, die leitenden Beamten der Stadt und die Veranstalter an.» Eine solche Veranstaltung sei in Duisburg nie realisierbar gewesen. Wenner hatte 2009 als amtierender Polizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.    

Auch aus den Reihen der Polizei gab es schwere Vorwürfe. Tote und Verletzte seien Opfer «materieller Interessen eines Veranstalters, der unter dem Deckmäntelchen der "Kulturhauptstadt 2010"» Druck ausgeübt habe, sagte der Vize-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Wolfgang Orscheschek. Polizei und Feuerwehr «haben im Vorfeld ihre Vorbehalte geäußert».

Als Veranstalter der Loveparade tritt die Firma Lopavent auf, deren Besitzer Rainer Schaller auch eine bundesweite Fitness-Kette betreibt.

Die Zahl der Teilnehmer konnten die Veranstalter auch am Tag danach nicht genau beziffern. Sie reicht von 105 000 Menschen, die mit der Bahn zum Feiern reisten, bis hin zu 1,4 Millionen Ravern, die sich in der Stadt aufgehalten haben sollen. Die abgeschlossene Partyzone sei für rund 300 000 Feiernde ausgelegt gewesen, sagte der Leiter des Krisenstabs, Wolfgang Rabe. Der Platz sei zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen.

Die Katastrophe löste im In- und Ausland eine Welle der Trauer und des Entsetzens aus. Mit «großem Schmerz» gedachte auch Papst Benedikt XVI. der Opfer.  

Der Ablauf der Tragödie zeichnet sich erst in groben Zügen ab: Es gab lange Zeit nur einen Ein- und Ausgang zum Festgelände, und der war nur durch zwei Tunnel unter Bahngleisen zu erreichen. Von den Tunneln ging es um eine Ecke auf eine breite Straßenrampe zum alten Güterbahnhof. Im Gedränge dieses Nadelöhrs stauten sich die Menschen. Raver, die ungeduldig zur Party strebten, trafen auf Menschen, die schon müde waren und das Fest verlassen wollten.

Viele kletterten auf Container oder Zäune, um der drangvollen Enge zu entfliehen, einige stürzten nach Augenzeugenberichten hinunter in die Massen. «Das war programmiertes Chaos», kritisierte der Augenzeuge Udo Sandhöfer. Nach Bekanntwerden der Todesfälle wurde die Veranstaltung nicht abgebrochen, um weitere Panik zu verhindern.

Die Loveparade soll es nach Angaben des Veranstalters Rainer Schaller nun nicht mehr geben. 1989 in Berlin unter dem Motto «Friede, Freude, Eierkuchen» gegründet, fand das fröhliche Techno- Event seit 2007 im Ruhrgebiet statt. Im letzten Jahr fiel sie aus: Bochum hatte die Ausrichtung auch aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Beinahe wäre die Loveparade im Kulturstadtjahr «Ruhr 2010» in Duisburg gescheitert, weil der hoch verschuldeten Stadt Geld für Sonderbusse, Absperrungen und andere Sicherheitsmaßnahmen fehlten.

Nach der Katastrophe starteten Feuerwehren und andere Rettungsdienste aus Nordrhein-Westfalen einen Großeinsatz. Die am Partygelände vorbeiführende Autobahn 59, die aus Sicherheitsgründen ohnehin gesperrt war, wurde zum Anlaufpunkt für Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber. In der Nacht kamen erste Trauernde zu dem Tunnel, um ihr Mitgefühl mit den Opfern zu bekunden. Kerzen, Bilder, Blumen erinnerten am Sonntag an die Katastrophe.    

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich geschockt und sagte: «Zum Feiern waren die jungen Menschen gekommen, stattdessen gibt es Tote und Verletzte.» Der Präsident der EU-Kommission, Manuel Barroso, kondolierte ebenso wie Russlands Präsident Dmitri Medwedew. Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) besuchte Verletzte im Krankenhaus.

Die Loveparade unter dem Motto «The Art Of Love» sollte eine der wichtigsten und größten Veranstaltungen im Kulturhauptstadtjahr «Ruhr.2010» werden. Der Cheforganisator Fritz Pleitgen zeigte sich schockiert.

Freizeit / Musik / Notfälle
25.07.2010 · 22:46 Uhr
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