Hartz-IV: Regelsätze sollen an Löhne gekoppelt werden

Berlin (dpa) - Die Bezüge der über 6,5 Millionen Hartz-IV- Empfänger sollen künftig im Gleichklang mit Preisen und Löhnen steigen. Dies sieht der Entwurf der Hartz-IV-Neuregelung vor, den Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag den anderen Ministerien zur Abstimmung zuleitete.

Bisher sind die Regelsätze für Langzeitarbeitslose an die Rentenerhöhungen gekoppelt. Von der Leyen will künftig eine Mix-Berechnung, die sich zu 70 Prozent am Preisniveau und zu 30 Prozent an der Lohnentwicklung orientiert. Das Wichtigste in dem Gesetzentwurf fehlt allerdings: Die Höhe der künftigen Bezüge. Sie sollen erst in der kommende Woche nachgereicht werden - wenn die Daten des Statistischen Bundesamt über die Entwicklung der Lebenshaltungskosten vorliegen.

Derzeit liegt der volle Regelsatz für einen Hartz-IV-Empfänger bei 359 Euro im Monat. Die Haushaltspolitiker der Koalition befürchten eine Kostenexplosion. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke mahnte bereits zur Einhaltung der Schuldenbremse. Notfalls müsse von der Leyen an anderer Stelle in ihrem 131,8 Milliarden-Euro-Haushalt Einsparungen vornehmen. Am Sonntag will sich auch der Koalitionsausschuss mit der Neuregelung befassen.

Von der Leyen sagte, man müsse das Verfassungsurteil auch als Chance für die betroffenen Kinder verstehen, die künftig eine bessere Bildungsförderung erhalten sollen. Dafür hat der Bund bereits 480 Millionen im Haushalt eingestellt. Das warme Mittagessen für diese Kinder in Kitas und Ganztagsschulen will die Minister mit zusätzlich 120 Millionen Euro pro Jahr unterstützen. Die auch in der Koalition noch strittigen Zuverdienstgrenzen will von der Leyen später regeln.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar eine transparentere Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze bis zum Jahresende verlangt und zugleich den Bund verpflichtet, dabei auch den speziellen Bedarf der 1,7 Millionen Kinder aus diesen Familien zu berücksichtigen. Dabei geht es auch um ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie Mitgliedschaft in Sportvereinen oder Besuch von Musikkursen.

Basis für die Berechnung der Lebenshaltungskosten der Erwachsenen ist ein fiktiver «Warenkorb» mit 240 Positionen im Rahmen einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) bei 60 000 Haushalten. Die Hartz-IV-Regelsätze sollen sich weiter am Einkommen des unteren Fünftels der Bevölkerung orientieren.

Stärker berücksichtigt werden sollen bei den neuen Regelsätzen unter anderem die Kosten für öffentlichen Nahverkehr. Hinzu kommen die 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal. Neu sind auch die Kosten für das Internet. Zum Thema «Sanktionen» gibt es im Gesetzentwurf eine Klarstellung. Sie sollen bei Regelverstößen der Hartz-IV-Empfänger nur noch dann verhängt werden können, wenn sie nicht länger als drei Monate zurückliegen.

Bei der von den Verfassungsrichtern verlangten Einbeziehung der Bildungskosten für Kinder aus Hartz-IV-Familien besteht von der Leyen nicht auf die von ihr favorisierte Bildungschipkarte. Gleichwohl will sie weiterhin bei Ländern und Kommunen dafür werben. Die Abrechnung der Bildungshilfen kann aber auch mit Hilfe von Formularen oder Gutscheinen über die Jobcenter erfolgen. Es bleibe bei dem Grundsatz, dass die Hilfen fast ausschließlich als Sachleistung» bereitgestellt werden - also nicht als reine Geldzahlung.

Über die Kosten für Nachhilfe will von der Leyen noch mit den Kultusministern der Länder sprechen. Bar ausbezahlt werden soll hingegen weiter die Hilfe für Hefte und Bücher. Dieses sogenannte Schulstarterpaket von 100 Euro pro Jahr soll aber nach den bisherigen Erfahrungen gesplittet werden, und zwar 70 Euro im ersten Schulhalbjahr, 30 Euro im zweiten Halbjahr. Bei der Neuregelung will von der Leyen auch die Kosten für Schulausflüge berücksichtigen.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf von der Leyen «monatelange Tatenlosigkeit» bei der Umsetzung des Verfassungsurteils vor. Auch jetzt sei noch vieles unklar. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die Anhebung des Hartz-IV-Satzes auf 420 Euro. Dies sei das existenzsichernde Minimum, das nicht unterschritten werden dürfe.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem Armutszeugnis. «Offenbar will die Bundesregierung das Regelsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts möglichst "billig" umsetzen.» Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte die geplante Einbeziehung der Nettolohnentwicklung als sachfremd und verfassungswidrig.

Urteil Bundesverfassungsgericht

Soziales / Arbeitsmarkt
20.09.2010 · 18:30 Uhr
[11 Kommentare]
 
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