Hartz-IV-Erhöhung in zwei Stufen

Berlin (dpa) - Die 4,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger bekommen in zwei Stufen acht Euro mehr - für Kritiker viel zu wenig. Sozialverbände und Gewerkschaften kritisierten den von Union und SPD vereinbarten Kompromiss heftig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die SPD betonten dagegen am Montag, Familien, Kinder und Kommunen seien die Gewinner des zweimonatigen Verhandlungsmarathons.

Die schwarz-gelbe Koalition hatte sich in der Nacht mit der SPD auf die Neuregelung zentraler Hartz-IV-Leistungen geeinigt. Der Regelsatz steigt rückwirkend um 5 auf 364 Euro. Anfang 2012 ist eine weitere Erhöhung um 3 Euro geplant. Dazu kommt eine prozentuale Erhöhung, die aus Inflation und Lohnentwicklung errechnet wird. Die Spitzengremien von CDU, FDP und SPD billigten das Ergebnis am Montag, ebenso die Unions-Fraktionspitze.

Die eigentlich schon zum 1. Januar vorgesehene Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro wird erst zum 1. April überwiesen. Hartz-IV-Empfänger bekommen dann 15 Euro Nachschlag für drei Monate und den neuen Satz von 364 Euro für den April. Bundestag und Bundesrat sollen bereits in dieser Woche grünes Licht geben. Deren Zustimmung gilt als sicher.

Merkel sagte in Berlin, wichtig sei vor allem, dass eine Einigung für das 1,6 Milliarden Euro teure Bildungspaket gefunden worden sei. «Gewinner dieser Hartz-IV-Reform sind mit Sicherheit die Familien mit Kindern, aber auch die Kinder selbst.» Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte: «Das Bildungspaket ist jetzt da, die Kinder können es abrufen.» Man schlage nun «ein neues Kapitel in der Sozialgeschichte auf». Den Kritikern sagte sie: «Ich bin überzeugter denn je, das der Regelsatz verfassungsfest ist.»

Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verteidigte den mühselig ausgehandelten Kompromiss: «Ein Füllhorn haben die Ministerpräsidenten nicht benutzt.» Die Prämissen seien gewesen: keine Willkür und keine Gelddruckmaschinen. «Ich glaube, dass diese politische Entscheidung auch vor Gericht Bestand haben wird.» Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr neue Grundlagen für die Hartz-IV-Sätze gefordert.

Den Kommunen wird freigestellt, ob sie die ihnen vom Bund zusätzlich zugesagten 400 Millionen Euro befristet auf drei Jahre für Schulsozialarbeiter oder Mittagessen auch für Hortkinder ausgeben. Das Bildungspaket betrifft 2,5 Millionen bedürftige Kinder. Zusätzlich entlastet der Bund Städte und Gemeinden in Milliardenhöhe bei Sozialausgaben für arme Rentner. Merkel sprach von einem «geradezu historischen Schritt».

Die Spitzenverbände der Kommunen reagierten zufrieden: «Die schrittweise Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund verschafft unseren Haushalten eine spürbare Entlastung bei den erdrückenden Sozialausgaben, für die wir lange gekämpft haben.»

Der Durchbruch bei den Mindestlöhnen für Zeitarbeiter, Sicherheitsleute und in der Aus- und Weiterbildung führt nach Ansicht der Kanzlerin zu mehr sozialer Gerechtigkeit - «ohne dass die Flexibilität bei der Zeitarbeit zerstört wird».

Die Grünen waren in der Nacht aus den Verhandlungen ausgestiegen. «Wir haben erhebliche Zweifel, dass das, was jetzt herausgekommen ist, verfassungskonform ist», sagte Parteichefin Claudia Roth. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der dem Kompromiss zugestimmt hatte, sieht nicht alle Zweifel ausgeräumt. Zum Einwand der Grünen sagte er: «Die könnten Recht haben.»

SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig sprach von einem Erfolg. «Das kann sich insgesamt sehen lassen.» Wenn die Bundesregierung aber beim Regelsatz «auf ihrer juristischen Meinung beharrt, dann muss sie da auch die Verantwortung übernehmen, wenn das Verfassungsgericht es noch einmal anders entscheidet.»

Die Spitze der Linkspartei bezeichnete die Einigung als empörend und verfassungswidrig. «Dieses Ergebnis ist ein Hohn.» Das Bildungspaket führe dazu, dass Kinder von Arbeitslosen öffentlich gedemütigt würden.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, die Regelsätze seien weder bedarfsgerecht noch verfassungskonform. «Das Geschacher der letzten Wochen und Tage um drei Euro mehr oder weniger ist die erbärmlichste Farce, die die deutsche Sozialpolitik je erlebt hat», sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Der Sozialverband Deutschland erklärte, die Politik habe «eine große Chance für überfällige sozialpolitische Korrekturen vertan».

Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hält die Mindestlohn-Vereinbarungen für unzureichend: «Es ist eine Schande, wie CDU, CSU und FDP die prekäre Lage von hunderttausenden Leiharbeitern in der Frage gleicher Entlohnung ignorieren.» DGB-Chef Michael Sommer sagte: «Koalitionsinterner Hickhack und Uneinsichtigkeit haben eine gerechte Politik im Interesse der Beschäftigten verhindert.» Am 24. April soll es bundesweit Proteste gegen den Missbrauch der Leiharbeit geben.

Soziales / Arbeitsmarkt
21.02.2011 · 18:16 Uhr
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