Hannelore Kraft ist Ministerpräsidentin in NRW

Düsseldorf (dpa) - Der Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen ist perfekt. Nach wochenlangem Koalitionspoker wählte der Landtag am Mittwoch die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft zur ersten Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.

Die 49-Jährige löst mit einer rot-grünen Minderheitsregierung die schwarz-gelbe Koalition von Jürgen Rüttgers (CDU) ab. Damit verliert Schwarz-Gelb auch die Mehrheit im Bundesrat. Kanzlerin Angela Merkel ist bei zustimmungspflichtigen Gesetzen auf Kompromisse angewiesen.

Kraft wurde erwartungsgemäß im zweiten Wahlgang mit 90 Stimmen gewählt. Weil sich offensichtlich alle elf Abgeordnete der Linkspartei enthielten, erreichte Kraft die einfache Mehrheit. Die Linke hatte vor der Wahl ihre Stimmenthaltung angekündigt. Mit Nein stimmten 80 Abgeordnete, so viele Abgeordnete haben CDU und FDP. Im ersten Wahlgang hatte Kraft die absolute Mehrheit um eine Stimme verfehlt.

Merkel warf der SPD Wählertäuschung vor. Kraft habe eine zentrale Wahlaussage gebrochen, sagte sie der «Rheinischen Post». «Sie hat im Wahlkampf immer wieder betont, dass ein Land wie NRW eine stabile Regierung braucht. Jetzt will sie ihre Arbeit mit einem massiven Wortbruch beginnen. Einer solchen Regierung kann man nicht trauen.»

Weil Rot-Grün eine Stimme zur eigenen Mehrheit fehlt, ist Kraft auf Unterstützung aus anderen Fraktionen angewiesen. In der ersten Rede nach ihrer Wahl rief sie alle Parteien zur Zusammenarbeit auf. Das Wohl des Landes dürfe nicht hinter parteipolitischen Interessen zurücktreten. Die unsicheren Mehrheitsverhältnisse böten auch die Chance, «gute Kompromisse zu suchen und zu finden». Nordrhein-Westfalen stehe vor einer spannenden Legislaturperiode. «Ich freue mich auf die Aufgaben die jetzt vor mir, vor uns liegen», sagte Kraft.

Ihr Kabinett will Kraft am Donnerstag vorstellen. Der rot-grünen Regierung sollen zehn Minister angehören, davon sieben der SPD und drei der Grünen. Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann soll Schulministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin werden. Kraft kündigte im Westdeutschen Rundfunk (WDR) an, sie wolle ihr Kabinett paritätisch mit Männern und Frauen besetzen. «Es wird ein Kabinett geben, was genauso viele Männer wie Frauen hat und ich glaube, das ist das erste Mal in Deutschland der Fall», sagte die neue Ministerpräsidentin.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte die Opposition im Landtag vor einer Blockade-Politik. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass CDU, FDP und Linke gemeinsam eine Blockade-Koalition bilden», sagte er. Die Generalsekretäre von CDU, CSU und FDP warfen Gabriel vor, er peile eine rot-rot-grüne Regierung im Bund an.

Auch die CDU und FDP in NRW warfen Kraft Wortbruch und Wählertäuschung vor. Im Wahlkampf habe sie stets eine Tolerierung durch die Linkspartei ausgeschlossen, sagte CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Jetzt habe sie sich durch Tolerierung der Linken zur Regierungschefin wählen lassen. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart sagte, die Linke sitze mit am Kabinettstisch. Beide kündigten eine entschiedene Oppositionspolitik an. Entsprechend äußerte sich CDU- Generalsekretär Hermann Gröhe. Das Wohl des Landes NRW schließe aus, dass CDU und FDP dort «Reserve-Mehrheitsbeschaffer» seien.

Die Linke bekräftigte ihre Bereitschaft zur einer Koalition mit SPD und Grünen. «Die Linke in NRW war bereit zu einer Koalition mit SPD und Grünen, Frau Kraft hat das abgelehnt. Das kann sich wieder ändern», sagte der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, der «Rheinischen Post» (Donnerstag). Die Linke will im Landtag von Fall zu Fall entscheiden, ob sie Gesetzesvorhaben von Rot-Grün zustimmt. Bereits am Donnerstag geht es im Landtag um die Pläne von Rot-Grün, die Studiengebühren abzuschaffen.

Die Grünen-Spitze im Bund sieht in der Minderheitsregierung einen sozial-ökologischen Aufbruch in NRW. Die Führung von Kraft und Löhrmann stehe im «Kontrast zum vielstimmigen Chaos-Chor der schwarz- gelben Bundesregierung», teilten die Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir mit.

In die erste Reihe bei den NRW-Sozialdemokraten war Kraft nach der verlorenen Landtagswahl im Jahr 2005 gerückt. Zunächst übernahm sie die Führung der Landtagsfraktion, 2007 wurde sie auch Vorsitzende des mitgliederstärksten SPD-Landesverbands. In beiden Ämtern war sie die erste Frau. Seit dem vergangenen November ist sie auch stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD.

SPD und Grüne kehren nach fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen an die Regierung zurück. Mit Gesetzesänderungen wollen sie viele Reformen von CDU und FDP schnell rückgängig machen. Besonders umstritten sind die Pläne von Rot-Grün zur Einführung einer Gemeinschaftsschule. SPD und Grüne wollen durchsetzen, dass alle Schüler künftig mindestens bis zur sechsten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. In dieser Wahlperiode sollen mindestens 30 Prozent aller weiterführenden Schulen in solche Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden. CDU und FDP lehnen diese Pläne entschieden ab. Sie werfen der neuen Landesregierung vor, das Gymnasium abschaffen zu wollen.

Bei der Landtagswahl am 9. Mai hatten CDU und FDP ihre bisherige Mehrheit klar verloren. Aber auch für Rot-Grün reichte es nicht zu einer eigenen Mehrheit. Kraft führte deshalb Sondierungsgespräche mit allen Parteien im Landtag. Zu Koalitionsverhandlungen kam es aber nicht. Die SPD-Landesvorsitzende entschied sich nach einigem Zögern für eine Minderheitsregierung. Eine große Koalition hatte die SPD mit der Begründung abgelehnt, die CDU sei trotz ihrer schweren Wahlniederlage nicht zu einem Politikwechsel bereit.

Regierung / Parteien / Nordrhein-Westfalen
14.07.2010 · 20:55 Uhr
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