Großbritannien bietet Gewalt die Stirn

London (dpa) - Großbritannien will der Gewalt und Gesetzlosigkeit auf den Straßen keinen Raum lassen. «Es ist für unser Land jetzt die Zeit gekommen, sich zusammenzureißen, sagte Premierminister David Cameron.

Er werde vorsichtshalber prüfen lassen, ob die Polizei Unterstützung von Soldaten benötige und Straftätern der Zugang zu Internetdiensten wie Twitter und Facebook verwehrt werden könne. Er selbst teile aber die Meinung der Polizei, die nicht für einen Militäreinsatz sei, sagte Cameron am Donnerstag bei einer Krisensitzung des britischen Parlaments.

«Das Parlament steht heute Schulter an Schulter, vereint gegen den Vandalismus und die Gewalt, die wir auf unseren Straßen gesehen haben», sagte Oppositionsführer Ed Miliband. Damit sicherte er Cameron Unterstützung zu, der eine Politik der harten Hand gegen die Randalierer ankündigte. Zigtausende Menschen unterzeichneten eine Internet-Petition an die Regierung und forderten, dass Randalierer und Plünderer ihr Recht auf Sozialhilfe verlieren sollten.

Cameron hat gewalttätige Straßengangs als Hauptursache für die Randale der vergangenen Tage verantwortlich gemacht. Er will nun unter höchster Prioritätsstufe ein Anti-Gang-Programm nach US-Vorbild ins Leben rufen. «Wir werden nicht zulassen, dass eine Kultur der Angst auf unseren Straßen herrscht, und wir werden alles tun, was nötig ist, um Recht und Ordnung wiederherzustellen und unsere Stadtviertel aufzubauen», sagte Cameron.

Der britische Fußballverband FA hat eine zunächst erwogene Absage des gesamten Saisonauftaktes der englischen Premier League verworfen. Lediglich die für Samstag geplante Partie von Tottenham Hotspur gegen FC Everton wird verschoben. In Tottenham hatte die Randale am vergangenen Samstag ihren Anfang genommen, nachdem die Polizei einen 29-Jährigen erschossen hatte.

Auf Maßnahmen, wie den tiefgreifenden sozialen Problemen in Großbritannien beizukommen ist, wollte sich Cameron nicht festlegen lassen. «Wir haben nicht die eine passende Antwort.» Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Großbritannien nach offiziellen Angaben bei fast 20 Prozent. Innenminister Theresa May sagte, die sozialen Schwierigkeiten im Land dürften nicht verkannt werden. Kritiker der Regierungspolitik werfen Cameron vor, seine milliardenschweren Sparmaßnahmen zur Sanierung des Staatshaushaltes würden die sozialen Probleme im Land noch verschärfen.

Um neue Krawalle zu verhindern, sollen auch in den nächsten Tagen und über das Wochenende noch rund 16 000 Polizisten in London im Einsatz bleiben. Außerdem soll die Polizei mehr Spielraum im Kampf gegen Gewalttäter und Plünderer bekommen. Unter anderem sollen sie mehr rechtliche Möglichkeiten erhalten. Neben dem Einsatz von Gummigeschossen und Wasserwerfern soll die Polizei Vermummten die Gesichtsmaske abnehmen dürfen. Auch die Möglichkeit, eine Ausgangssperre zu verhängen, solle überdacht werden.

Cameron räumte ein, zu Beginn der Ausschreitungen sei «viel zu wenig Polizei» auf den Straßen Londons unterwegs gewesen. Dennoch will er auf seine im Zuge des Sparprogramms geplanten Kürzungen beim Polizeietat in Höhe von 20 Prozent nicht verzichten. Die Labour-Opposition hatte gefordert, die Streichungen angesichts der Krawalle und bevorstehender Großereignisse wie Olympia 2012 in London zu überdenken. Die Polizei habe in den vergangenen Tagen bewiesen, dass es möglich sei, aus den vorhandenen Ressourcen das Maximale herauszuholen.

Am Donnerstag arbeiteten die Gerichte im Land unter Hochdruck. Seit Ausbruch der Unruhen am Samstag waren mehr als 1500 Menschen festgenommen worden. Die Richter sprachen erste Urteile. Haftstrafen von bis zu sechs Monaten wurden verhängt. In einigen Gerichten wird seit Tagen im 24-Stunden-Betrieb verhandelt, um die große Zahl der Fälle abzuarbeiten. Erstmals wurde auch gegen einen Mann verhandelt, der über das soziale Netzwerk Facebook zu Straftaten angestiftet haben soll.

Zu den Hunderten Verdächtigen, die in den legalen Schnellverfahren vor Gericht erschienen, gehörte neben drei 14 Jahre alten Jungen auch ein 11 Jahre altes Mädchen. Das Mädchen hatte in Nottinghamshire eine Schaufensterscheibe eingeworfen und versucht, in einen Laden einzubrechen. Es kam auf Kaution frei.

Cameron kündigte Hilfe für die Opfer an. Unter anderem sollen 20 Millionen Pfund (22,8 Mio Euro) für Geschäfte in Einkaufstraßen zur Verfügung gestellt werden. 10 Millionen Pfund sollen für Aufräumarbeiten an die Gemeinden fließen. Der Sachschaden könnte sich insgesamt auf bis zu 200 Millionen Pfund (228 Millionen Euro) belaufen. Diese Summe nannte Cameron als möglichen Betrag, den die Versicherungen auszahlen müssen.

In der Nacht zum Donnerstag war es erstmals seit dem Wochenende in ganz England ruhig geblieben. In den Tagen zuvor war es unter anderem in mehreren Londoner Stadtteilen und in Birmingham zu Ausschreitungen gekommen. Insgesamt starben vier Menschen. Hunderte, darunter mehr als 100 Polizisten, erlitten Verletzungen.

Cameron betonte, Großbritannien müsse der Welt zeigen, dass diese Ereignisse nicht repräsentativ für das Land seien. «Ein Jahr vor den Olympischen Spielen müssen wir ihnen das Großbritannien zeigen, das nicht zerstört, sondern aufbaut; das nicht aufgibt, sondern aufsteht; das nicht zurückschaut, sondern stets nach vorne.»

In der Petition heißt es, die Zahlungen an Straftäter, die von Sozialhilfe lebten, sollten eingestellt werden, sobald diese verurteilt seien. Die Petition ist auf der Internetseite von Downing Street 10 einzusehen. Am Abend hatten mehr als 100 000 Menschen unterschrieben. Damit könnte das Thema auf der Tagesordnung des Parlaments landen. Cameron rief Gemeinden dazu auf, Straftäter wenn nötig aus Sozialwohnungen hinauszuwerfen.

Gesellschaft / Gewalt / Großbritannien
11.08.2011 · 22:18 Uhr
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