Europäische Unternehmen in China: Herausforderung am Wendepunkt
Ausländische Unternehmen in China erreichen einen kritischen Punkt in ihren Investitionen in die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft. Grund dafür sind Marktbarrieren, geringes Wachstum und harte Konkurrenz, wie die EU-Handelskammer in China berichtet. Europäische Firmen sehen sich zunehmend Schwierigkeiten gegenüber, darunter unklare Daten-, Cybersicherheits- und Spionagegesetze. Hinzu kommt eine schwache Binnenwirtschaft, die niedrigere Gewinne bringt. „Für einige Unternehmen ist ein Kipppunkt erreicht“, sagte Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in China, bei der Vorstellung des Jahresberichts am Mittwoch. Eskelund betonte, dass Unternehmen angesichts von Lieferkettenrisiken, erwarteten Gewinnrückgängen und fortwährenden Marktzugangsbarrieren andere Märkte als attraktiver betrachten. Chinas Politiker ringen mit einer zweigeteilten Wirtschaft, in der ein Immobilienmarktrückgang die Inlandsnachfrage schwächt und Deflationsdruck erzeugt, während die Exporte durch harte Konkurrenz unter Herstellern gestiegen sind. Ausländische Unternehmen kritisieren bereits seit langem die Marktzugangsbarrieren in China, besonders bei staatlichen Beschaffungsverfahren, doch das schnelle Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit motivierte sie, weiter zu investieren. Peking strebt dieses Jahr ein Wachstum des realen BIP von 5 Prozent an, unterstützt durch Investitionen der Staatsbanken in Hightech-Branchen. Dennoch sorgen sich viele ausländische Investoren, dass sie von diesem Wachstum nicht profitieren. Laut einer Umfrage der Kammer führen 70 Prozent der Teilnehmer Überkapazitäten in ihren Branchen als Grund für gesunkene Preise an. Zudem sind 44 Prozent pessimistisch bezüglich ihrer künftigen Gewinnentwicklung, der höchste Wert bislang. Im Bericht der Handelskammer ist von einer defensiven Haltung der Mitgliedsunternehmen die Rede. Ausländische Direktinvestitionen in China fielen im ersten Halbjahr 2024 um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Europäische Firmen ziehen sich zwar nicht vollständig zurück, jedoch trennen sie zunehmend ihre China-Geschäfte vom Rest der Welt, machen sie widerstandsfähiger gegenüber regulatorischen Änderungen und lokalem Marktwachstum. Dazu gehören Investitionen in separate IT- und Datenspeicher, um chinesischen Sicherheitsvorgaben zu entsprechen, sowie die Schaffung lokaler Arbeitsplätze statt Forschung und Marktausweitung. Diese defensiven Maßnahmen umfassen auch die Diversifizierung der Lieferketten, wobei europäische Unternehmen vermehrt Produktionsstandorte außerhalb Chinas in Betracht ziehen. Das letztjährige Papier Chinas zur Optimierung ausländischer Investitionen, das Maßnahmen zur Vereinfachung von Beschaffungsverfahren enthielt, brachte laut Handelskammer keine signifikanten Verbesserungen. Bedenken nationaler Sicherheit würden zunehmend gegen das Wirtschaftswachstum abgewogen und manchmal Vorrang erhalten, was Fragen aufwerfe, ob chinesische Beamte genügend Spielraum für pragmatische, unternehmensfreundliche Politiken hätten. Unverändert bestehen Marktzugangsbarrieren wie verpflichtende Technologietransfers für ausländische Bahnunternehmen und die Bevorzugung chinesischer Staatsbetriebe bei Ausschreibungen im Bahnsektor. „China bleibt attraktiv, ist aber nicht mehr der einzige Spieler im Feld“, so Eskelund abschließend. „Unsere Geschäftsklima-Umfrage zeigt, dass 52 Prozent unserer Mitglieder in China Kostensenkungen planen und 26 Prozent die Mitarbeiterzahl reduzieren wollen. Um diese Entwicklungen zu ändern, ist jetzt die Zeit gekommen.“