Europa am Abgrund: Ambrosetti-Forum warnt vor wirtschaftlichem Niedergang
Die halbjährliche Zusammenkunft der europäischen Eliten am Comer See – bekannt als das Ambrosetti-Forum, ein Mini-Davos unter Chatham-House-Regeln – stand ganz im Zeichen düsterer Warnungen und entmutigender Eingeständnisse. Übereinstimmend äußerten sich erschöpfte Beamte, dass die unvollständige Struktur der EU es nahezu unmöglich mache, die aktuellen Probleme zu lösen.
Seit sieben Quartalen verzeichnet die Eurozone kaum Wachstum und die fiskalische Austerität steht noch bevor. Deutschland hat seit 2018 kein akkumuliertes Wachstum gesehen. Die aufkommende Erkenntnis, dass das kommende Jahr ebenso schlecht ausfallen könnte, hat die letzten Illusionen zerstört. Auch die Angst vor einem „China-Schock 2.0“, diesmal technologisch fortgeschrittener, trägt zur Panik bei. Ein EU-Experte formulierte es drastisch: „Wenn wir so weitermachen, stirbt Europa einfach.“
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni merkte an: „Amerika innoviert, China repliziert, Europa reguliert.“ Sie hob hervor, dass der Anteil der EU am weltweiten BIP von 26,5% im Jahr 1990 auf heute 16,1% gesunken sei, während die USA weiterhin bei 26% verharren.
Mit dem Inkrafttreten des EU-Gesetzes zur Künstlichen Intelligenz im August, das KI als Bedrohung und nicht als Chance behandelt, verlassen viele Spitzenkräfte Europas die Region. Ein europäischer Pharma-CEO äußerte: „Es ist zu spät. Wir haben dieses Rennen bereits verloren.“ Er kritisierte, dass Gesprächsrunden in Europa sich überwiegend darum drehen, wie man sich gegen KI verteidigt.
Die EU-Kommission hoffte auf einen zweiten Coup wie mit den Datenschutzgesetzen 2016, doch das KI-Gesetz droht europäische Unternehmen außen vor zu lassen. Meta und Apple haben ihre KI-Rollouts in der EU gestoppt, da die Regularien zu restriktiv sind.
Andere Regionen wie die USA, Japan, Indien und der Nahe Osten setzen auf eine leichtere Regulierung und hoffen, wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. China strebt nach globaler technologischer Vorherrschaft durch massive Investitionen in KI.
Mario Draghi stellte einen Bericht über Europas Wettbewerbsfähigkeit vor und warnte, dass die EU sich selbst ins Abseits manövriert habe. Besonders im Bereich der KI sei die EU weit hinter den USA und China zurückgefallen.
Fredrik Persson von BusinessEurope wies darauf hin, dass europäische Unternehmen in den letzten fünf Jahren mit einer Flut neuer Vorschriften konfrontiert waren. Das Ambrosetti-Forum forderte, dass Europa eine eigene Version des amerikanischen Inflation Reduction Acts braucht, um seine industrielle Basis zu stärken. Doch die EU besitzt weder die finanziellen Mittel noch die strukturellen Voraussetzungen, um dies allein zu bewältigen.
Draghi fordert ein Investitionsprogramm von bis zu 800 Milliarden Euro jährlich zur Schließung der digitalen und produktiven Lücke gegenüber den USA. Die EU benötige dafür gemeinsame Anleihen, was jedoch Änderungen der EU-Verträge erfordern würde – ein nahezu unmögliches Unterfangen angesichts der aktuellen politischen Lage in Europa.
Deutsche und niederländische Politiker äußern sich ablehnend zu weiteren gemeinsamen Schulden, während osteuropäische Staaten ebenfalls Bedenken haben. Viktor Orbán, Ungarns Führer, forderte bei der Veranstaltung weniger Bürokratie und keine gemeinsamen Schulden.
Es bleibt abzuwarten, ob einige von Draghis Plänen als militärische Aufrüstung durchgeschmuggelt werden könnten, angesichts der Schwächen europäischer Verteidigung, die durch den Ukraine-Krieg offengelegt wurden. Dennoch scheinen umfassende fiskalpolitische Reformen in weiter Ferne.
Die Debatten zeigen, dass Europas Niedergang möglicherweise mit dem Projekt des europäischen Binnenmarktes zusammenhängt. Die Position der EU als globaler Akteur ist zunehmend bedroht, während andere Wirtschaftsräume ohne tiefgreifende Unionen florieren.