Eskalation im Nahen Osten: Israel auf gefährlichem Pfad der Gewaltspirale
In Israel herrschte triumphale Stimmung nach den gezielten Tötungen hochrangiger Führer der iranisch unterstützten militanten Gruppen Hizbollah und Hamas in der vergangenen Woche. Doch die Euphorie weicht nun einer breiten Besorgnis: Israelis und die gesamte Region blicken mit zunehmender Anspannung auf mögliche retaliatorische Aktionen, die das ohnehin fragile Gleichgewicht weiter ins Wanken bringen könnten.
Iran und die libanesische Miliz Hizbollah haben angekündigt, auf die Tötung von Fuad Shukr, einem senioren Hizbollah-Kommandanten in Beirut, und Ismail Haniyeh, dem politischen Führer der Hamas in Teheran, zu reagieren. Die USA sowie westliche und arabische Alliierte bemühen sich erneut intensiv um eine Deeskalation der Lage, da sie befürchten, dass die Region an den Rand eines umfassenden Krieges gerät. Ein Szenario, das spätestens seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober in Gaza gefürchtet wurde.
Entscheidende Akteure wie der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu, Hizbollahs Hassan Nasrallah, Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei und der brutale Hamas-Anführer Yahya Sinwar, der den verheerenden Angriff am 7. Oktober orchestriert hat, dominieren das Geschehen. Diese Verflechtung mächtiger Hardliner macht die Situation besonders unvorhersehbar und explosiv.
Die jüngste Eskalation begann nach einem vermuteten Raketenangriff der Hizbollah, bei dem am letzten Samstag zwölf Jugendliche auf einem Fußballplatz in den von Israel besetzten Golanhöhen getötet wurden. Hizbollah bestritt die Verantwortung, gab jedoch an, an diesem Tag militärische Einrichtungen in der Nähe beschossen zu haben. Der Vorfall markierte den tödlichsten Angriff in von Israel kontrolliertem Gebiet seit dem Hamas-Anschlag.
Washington erkannte die wachsende Bedrohung und drängte Netanyahu zur Zurückhaltung. Dieser entschied sich jedoch trotz der Warnungen zu einer riskanten Vergeltungsmaßnahme: dem Luftangriff auf Shukr in Beirut. Nur Stunden später folgte eine weitere Eskalation mit der Ermordung Haniyehs in Teheran. Beide Aktionen stellten erniedrigende Schläge für Israels Gegner dar und setzen sie unter enormen Druck, zu reagieren.
Eine Option zur Deeskalation bleibt: die von den USA geführten Bemühungen, eine mehrphasige Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen zu erreichen und den Israelis-Hamas-Konflikt zu beenden. Ein Waffenstillstand könnte Iran dazu bewegen, seine Reaktion zu überdenken und damit möglicherweise den Weg für ein Ende der Auseinandersetzungen zwischen Hizbollah und Israel freimachen.
Die Gespräche zur Geiselfreilassung sind seit Monaten ins Stocken geraten, da Hamas auf einer Garantie für ein endgültiges Ende des Gaza-Krieges besteht, was Netanyahu vehement ablehnt. In den letzten Wochen hat Hamas jedoch seine Position etwas gelockert, indem die Details des Konfliktendes erst am Schluss der ersten Verhandlungsphase bespreochen werden sollten. Dies schien das letzte Hindernis zu beseitigen, doch Netanyahu verschärfte Israels Haltung erneut.
Die Ernennung von Sinwar als politischem Führer der Hamas, ein Signal der Härte gegenüber Israel, könnte die Verhandlungen weiter verkomplizieren. Doch da er die verbleibenden Strukturen der Hamas in Gaza kontrolliert, ist er entscheidend für den Erfolg eines möglichen Abkommens. Israel hat der Hamas militärisch große Verluste zugefügt, wird jedoch klar, dass auch nach der Tötung eines Führers immer ein anderer nachrückt. Netanyahu sollte auf die US-Bemühungen hören, um die verbleibenden Geiseln freizubekommen – dies muss die klare Botschaft von Präsident Joe Biden sein.
Ironischerweise wollen sowohl Israel als auch Iran und Hizbollah einen umfassenden regionalen Konflikt vermeiden. Doch die jüngsten Monate haben gezeigt, wie gefährlich sie dennoch auf diesen zusteuern.