„Es macht Sinn, alte Rezepte zu bewahren und mit modernen Ideen zu verbinden“

24. November 2025, 10:45 Uhr · Quelle: LifePR
„Es macht Sinn, alte Rezepte zu bewahren und mit modernen Ideen zu verbinden“
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Eröffnung Lausitzer Fischwochen
Der Weichaer Hof verbindet regionale Spezialitäten mit moderner Kreativität. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam, um kulinarische Erlebnisse zu schaffen.

Bautzen, 24.11.2025 (lifePR) - Wo einst ein leerstehendes Herrenhaus langsam verfiel, pulsiert heute kulinarisches Leben: Der „Weichaer Hof“ in der Oberlausitz ist ein Gasthaus mit besonderem Konzept. Hier verbinden sich regionale Küche, traditionelle Rezepte und moderne Akzente. Gekocht wird frisch, saisonal und mit Leidenschaft. Doch das Besondere liegt nicht nur auf den Tellern: Im „Weichaer Hof“ arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung Seite an Seite. Ein Gespräch mit Mitinhaber Hagen Schmidt und Küchenchefin Carola Symm.

Herr Schmidt, wie kam es dazu, dass Sie den „Weichaer Hof“ eröffnet haben?

Hagen Schmidt: Meine Frau und ich stammen beide aus der Oberlausitz. Vor 25 Jahren haben wir hier in Weicha einen Dreiseithof gekauft, stückweise ausgebaut und erst einmal eine private psychologisch-familientherapeutische Praxis eröffnet. Das Herrenhaus gegenüber war in einem schlechten Zustand und der Park verwildert. Die Leute aus dem Dorf meinten, damit müsse etwas passieren, sonst verfällt alles. Wir haben dann angefangen erst einmal einen Raum herzurichten, den das Dorf nutzen kann. Auch den Park haben wir auf Vordermann gebracht. Eigentlich hatten wir nie geplant, ein Restaurant daraus zu machen. Das hat sich Stück für Stück entwickelt.

Sie kommen ja nicht aus der Gastronomie. Was hat Sie dennoch dazu gebracht, diesen Weg zu gehen?
Hagen Schmidt: Neben der Praxis haben wir ein touristisches Angebot mit 8 Ferienwohnungen und vier Ferienhäusern auf dem Hof aufgebaut, welche alle auf Vier-Sterne-Niveau zertifiziert sind. Da war schnell klar: Die Gäste erwarten gute Verpflegung vor Ort, und wir wollten frisch kochen. Außerdem war uns von Beginn an wichtig, Menschen mit Einschränkungen einzubeziehen. Wir haben zunächst mit psychisch erkrankten Menschen gearbeitet, inzwischen sind auch Menschen mit anderen Einschränkungen dabei. Das verlangt viel Organisation und Struktur, aber es ist ein Herzensanliegen.

Wie genau funktioniert das mit der inklusiven Belegschaft?
Hagen Schmidt:
Die Idee ist: Normalität. Gäste sollen gar nicht merken, dass hier Menschen mit Einschränkungen arbeiten. Und der größte Teil merkt es tatsächlich nicht. Natürlich gibt es Unterschiede: Die Ausfallzeiten sind höher, man braucht mehr Personal, die Abläufe müssen besser durchdacht sein. Aber am Ende ist es bereichernd – für das Team, für die Gäste und für uns.

Frau Symm, Sie sind die Küchenchefin. Wie sind Sie zum „Weichaer Hof“ gekommen?
Carola Symm: Ich habe zuvor über 20 Jahre ein amerikanisches Steakhouse geführt. Nach dem Ruhestand meines Geschäftspartners wollte ich mich neu orientieren. Der „Weichaer Hof“ liegt fast vor meiner Haustür, fünf Kilometer entfernt – und das Konzept hat mich sofort überzeugt: mit regionalen Produzenten arbeiten, kurze Wege, ehrliche Handarbeit. Das war genau das, was ich nach der Steakhouse-Zeit gesucht habe. Jetzt bin ich seit einem Jahr hier und sehr zufrieden mit meiner Aufgabe.

Wie haben Sie den Einstieg erlebt?
Carola Symm: Am Anfang war es eine Umstellung. Ich kam aus einer sehr stressigen à-la-carte-Gastronomie. Hier musste ich lernen, Rücksicht zu nehmen – auf Mitarbeiter, die vielleicht nicht die volle Ausbildung haben oder langsamer arbeiten. Aber nach einer Eingewöhnungsphase läuft es super. Wir haben das Angebot ausgebaut, modernisiert, etwa mit veganen Gerichten oder mehr Auswahl für Allergiker. Heute haben wir eine richtig runde Küche.

Wie würden Sie das kulinarische Konzept beschreiben?
Carola Symm: Bodenständig, regional, aber auch offen für Neues. Bei uns gibt es klassische Gerichte wie Rinderroulade, Schnitzel oder Tafelspitz. Gleichzeitig bieten wir vegane Nudeln mit Pilzragout oder Gerstenrisotto an. Wichtig ist uns die Handarbeit: Nudeln, Knödel, vieles machen wir selbst. Und wir holen alte Rezepte zurück – zum Beispiel den Apfelsaftbraten, ein Familienrezept unseres Chefs Hagen Schmidt. Da wird Schweinenacken drei Tage lang mit Gemüse in Apfelsaft von den Streuobstwiesen eingelegt, bevor er langsam schmort. Dazu gibt es böhmische Semmelknödel – ein wunderbares Gericht.

Gibt es einen kulinarischen „Renner“ bei den Gästen?
Carola Symm: Ganz klar: der Hirsch mit hausgemachten Klößen und Rotkohl. Alles aus der Region – der Hirsch direkt vom Jäger im Nachbardorf, der Rotkohl fünf Kilometer entfernt angebaut. Aber auch unser Karpfen läuft sehr gut. Viele Gäste entdecken bei uns, dass Lausitzer Fisch überhaupt nicht „schlammig“ schmeckt, wie mancher denkt.

Welche Rolle spielt Regionalität für Sie?
Carola Symm: Eine sehr große. Ich frage mich immer: Warum Produkte um die halbe Welt transportieren, wenn wir hier so gute Zutaten haben? Wir beziehen Fleisch, Gemüse und Fisch direkt aus der Umgebung. Regionalität heißt für uns: Wir kochen mit dem, was da ist, und lassen uns von der Saison leiten.

Sie sprachen den Lausitzer Karpfen schon an. Der gilt ja oft als unterschätzt. Wie nehmen Ihre Gäste ihn an?
Carola Symm: Erstaunlich gut. Etwa die Hälfte bestellt ihn klassisch blau, die andere Hälfte als Filet. Viele merken erst hier, dass Karpfen ein köstlicher Fisch ist, wenn er richtig zubereitet wird. Er hat ein weiches Fleisch, und mit der richtigen Behandlung entfaltet er ein ganz feines Aroma.

Finden sich noch andere regionale Fischgerichte auf der Karte?
Carola Symm: Ja, wir räuchern Forellen selbst und haben auch Lachsforelle auf der Karte, gegrillt oder gebeizt. Die Lachsforelle ist eine wunderbare Alternative zum üblichen Lachs – regional, hochwertig und vielseitig. Meiner Meinung nach schmeckt sie sogar noch besser. Außerdem bieten wir im Sommer Matjes an, allerdings nur echten, klassisch fermentierten aus Holland. Das ist der einzige Seefisch, den wir verwenden. Alles andere kommt aus der Lausitz.

Herr Schmidt, spüren Sie, dass Ihr Konzept auch vom Dorf getragen wird?
Hagen Schmidt: Das gesamte Dorf profitiert von de Belebung. Besonders deutlich wird dies jedes Jahr zum Buß-und Bettag, dem Tag des offenen Dorfes in Weicha. Milch- und Schweinebauern öffnen ihre Höfe, bieten Führungen an und verkaufen Kostproben Ihrer Erzeugnisse, die Gärtnerei veranstaltet einen Weihnachtsverkauf, ein Tischler präsentiert seine Produkte, der Weichaer Hof zeigt seine Räumlichkeiten und veranstaltet einen kleinen Markt und einzelne private Initiativen verkaufen Handgemachtes. Jedes Jahr kommen rund 4000 Menschen und erleben die Qualitäten des Landlebens, die man in der Stadt oft vermisst.

Frau Symm, was wünschen Sie sich für die kulinarische Zukunft der Oberlausitz?
Carola Symm: Dass noch stärker auf regionale Produkte gesetzt wird. Die Oberlausitz ist ein Schmelztiegel – hier gibt es sorbische, böhmische, schlesische Einflüsse. Diese Vielfalt macht die Küche spannend. Es lohnt sich, alte Rezepte zu bewahren und mit modernen Ideen zu verbinden. Wenn wir das konsequent tun, kann die Oberlausitz kulinarisch genauso ein Zielgebiet werden, wie andere Regionen in Europa.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wo gehen Sie beide gerne essen, wenn Sie nicht selbst kochen oder die Gerichte der eigenen Restaurantküche genießen?
Hagen Schmidt: Ich mag das indische Restaurant „Krishna“ in Görlitz sehr.
Carola Symm: Mich zieht es ins „Namu“, ein koreanisches Restaurant in Altkötzschenbroda. Dort kocht eine koreanische Familie wirklich traditionell. Ich liebe die asiatische Küche, kann sie aber selbst nicht authentisch zubereiten – deshalb genieße ich das dort sehr.

Frage: Frau Symm, Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!

Essen & Trinken / Regionale Küche / Oberlausitz / Inklusive Belegschaft / Traditionelle Rezepte
[lifepr.de] · 24.11.2025 · 10:45 Uhr
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