Eklat und Friedenszweig: Obama und Gaddafi bei UN
Die Jungfernreden der beiden höchst ungleichen Politiker zum Auftakt der traditionellen Generaldebatte in New York machten am Mittwoch deutlich, welche Gräben die Weltorganisation zu überbrücken hat - und warum sie oft genug bei der Kompromisssuche scheitert.
Obama gewann mit einer nachdenklichen Rede die Herzen der Zuhörer. «Die Vereinigten Staaten sind bereit, ein neues Kapitel der internationalen Zusammenarbeit aufzuschlagen - eines, das die Rechte und Verantwortlichkeiten aller Nationen anerkennt», sagte er vor den Spitzenpolitikern der 192 Mitgliedsstaaten. Nach den Jahren der Eiszeit zwischen den UN und den USA unter seinem Vorgänger George W. Bush war damit der Klimawandel eingeläutet.
Freilich machte der Präsident auch deutlich, dass das neue Engagement der USA in globalen Organisationen nicht zum Nulltarif zu haben ist. «Diejenigen, die Amerika stets gescholten haben, weil es allein in der Welt handelt, können jetzt nicht abseitsstehen und abwarten, dass Amerika die Probleme der Welt allein löst.»
Genau dies ist aber derzeit das Dilemma, vor dem der Präsident mit seiner Außenpolitik steht. Die Europäer sperren sich nach wie vor gegen die angemahnte Aufstockung ihrer Truppenkontingente in Afghanistan. Russland widersetzt sich schärferen Sanktionen gegen das iranische Atomprogramm.
Mit China kam es trotz intensiver Gespräche beim UN-Klimagipfel tags zuvor nicht zu einer sichtbaren Annäherung für das geplante Kyoto-Nachfolgeabkommen. Und auch beim Nahost-Friedensprozess musste sich Obama nach seinem Dreiergipfel mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit reinen Appellen begnügen.
Die UN-Vollversammlung nahm ihm das Versprechen auf eine neue Ära der Zusammenarbeit gleichwohl ab: Seine halbstündige Rede wurde mit ungewöhnlich langem und herzlichem Beifall quittiert. Auch Ehefrau Michelle, passend zu seiner rotgestreiften Krawatte im roten Kleid, klatschte freudig mit. Wie Paparazzi versuchten einige Diplomaten, mit ihrem privaten Fotoapparat ein Bild vom neuen Herrn im Weißen Haus zu erhaschen.
Beim Auftritt Gaddafis schlug die Stimmung schnell um. Als er von seinem eigenen Minister Ali Treki, der dieses Jahr Präsident der Vollversammlung ist, als «König von Afrika» und »König der Könige» ans Rednerpult gerufen wird, bricht Unruhe aus. Treki braucht fast zehn Minuten und viele Hammerschläge auf sein Pult, um die Ordnung wiederherzustellen. Die Reihen sind inzwischen deutlich gelichtet.
Was Gaddafi dann vor dem erlauchten Kreis bietet, könnte alle bisherigen UN-Eklats weit in den Schatten stellen. Selbst der legendäre Schuh, mit dem der damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow am 12. Oktober 1960 heftig auf den Tisch trommelte, um ein kontroverses Thema durchzusetzen, kann da nicht mithalten.
Gaddafi beschuldigte die Weltorganisation des «Terrorismus» und warf ihr vor, die eigene Charta zu brechen. Die Besetzung des Sicherheitsrats mit atomaren Vetomächten laufe der Charta zuwider, wetterte er - und riss demonstrativ mehrere Seiten der UN-Bibel ein. «Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen. Er sollte Terrorrat heißen.»
Obwohl die Redezeit für die fünftägige Aussprache eigentlich auf 15 Minuten begrenzt ist, nahm sich der Libyer glatte 90 Minuten für seine Tiraden - den UN-Höflichkeitsregeln zufolge darf niemand unterbrochen werden. Zum Dank hatte Gaddafi zumindest für seinen Vorredner ein gutes Wort: «Wir wären froh, wenn Obama für immer US- Präsident bleiben könnte.»