EKD startet Nachfolge-Suche - Käßmann nimmt Auszeit

Hannover (dpa) - Nach dem Rücktritt von Margot Käßmann hat bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Suche nach einem neuen profilierten Spitzenvertreter für die 25 Millionen Protestanten begonnen.

Schon auf der Ratssitzung am Ende der Woche in Tutzing werden sich führende Kirchenvertreter mit der Frage befassen, teilte die EKD mit. Der stellvertretende EKD-Vorsitzende, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, kündigte eine Fortsetzung des von Käßmann eingeschlagenen politisch engagierten Kurses der Kirche an. Die zurückgetretene Bischöfin selber nimmt zunächst eine Auszeit, um über ihren weiteren Weg nachzudenken.

Gewählt wird der künftige Ratsvorsitz auf der Synodentagung im November in Hannover. Bis dahin Schneider der EKD vor. Auch er könnte von der Synode zum Vorsitzenden gewählt werden, wäre dann aber schon 63 Jahre alt; die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Käßmann war am Mittwoch nach einer Alkoholfahrt mit 1,54 Promille als EKD-Chefin und hannoversche Bischöfin zurückgetreten.

«Sie nimmt sich eine Auszeit und denkt über ihre nächsten Schritte nach», sagte Kirchensprecher Johannes Neukirch. Käßmann hatte angekündigt, weiter als Pastorin tätig sein zu wollen. Vorläufig kann sie ihre Wohnung über der bischöflichen Kanzlei in Hannover behalten. Das Bischofsamt wird wahrscheinlich Ende Oktober neu besetzt. Zum vorläufigen Vertreter sollte am Donnerstag ein Bischofsvikar bestimmt werden.

Auch künftig brauchten die Protestanten eine deutliche Stimme, sagte der kommissarische EKD-Chef Schneider im WDR. An der Spitze der EKD solle wieder ein profilierter Theologe stehen. Zu seinen eigenen Ambitionen äußerte er sich nicht. Er machte deutlich, dass die evangelische Kirche auch weiterhin zu den Fragestellungen von Recht und Gerechtigkeit, Krieg und Frieden und zur Bewahrung der Schöpfung Stellung nehmen werde. «Ich gehe davon aus, dass die Stimme von Margot Käßmann auch in Zukunft zu hören sein wird», sagte Schneider bei N24. «Wir werden auch darüber nachdenken müssen, an welcher Stelle Frau Käßmann in Zukunft wieder ihre Stimme erheben kann.

Beckstein: Käßmann verdient zweite Chance

Nach Ansicht des Vizevorsitzenden der EKD-Synode, des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU), verdient Käßmann eine zweite Chance. Er wünsche sich, dass sie in Zukunft wieder eine herausgehobene Position einnimmt, sagte Beckstein im Südwestrundfunk (SWR). Das müsse nicht wieder an der Spitze der evangelischen Kirche sein. Die Theologin sei aber eine herausragende Persönlichkeit, die wieder besondere Verantwortung bekommen solle.

Einen Tag nach ihrem Rücktritt herrschten in Kirche und Politik weiter Betroffenheit. Die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring- Eckardt, sagte im Deutschlandradio Kultur, sie hätte sich eine weitere Zusammenarbeit mit Käßmann gewünscht. «Ich respektiere diese Entscheidung, auch wenn sie mich traurig macht.» Besonders viele Frauen bedauerten den Rücktritt. «Diese Lücke können wir nicht füllen. Wir werden aber das weitermachen, was Margot Käßmann auf den Weg gebracht hat», sagte Göring-Eckardt im ZDF-«Morgenmagazin». «Da geht es um Aufbruch, darum, dass wir politisch unbequem bleiben werden, dass Kirche sich auch als Mahnerin versteht.»

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) reagierte mit Bedauern auf den Rücktritt. Thierse, der gehofft hatte, die Bischöfin würde die Promille-Affäre in ihren Ämtern überstehen, sagte bei N24: «Ich bin traurig über diese Entscheidung. Aber ich verstehe sie sehr gut. Sie ist von großer innerer Konsequenz getragen.» Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen sagte auf NDR Info, Käßmann habe besondere Akzente gesetzt. Die Lücke, die jetzt entstanden sei, lasse sich im Prinzip nicht schließen, weil Käßmann ein einmaliger Mensch sei. Die zurückgetretene EKD-Vorsitzende sei aber nicht so tief gefallen wie viele meinten. «Sie fällt nach menschlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen aus ihren besonderen Positionen heraus, aber sie steht. Sie ist aufrecht geblieben mit geradem Rückgrat.»

Alice Schwarzer: Männer wären nicht zurückgetreten

Die Publizistin Alice Schwarzer sagte im Deutschlandradio Kultur, sie hätte sich gewünscht, dass Käßmann durchhalte. Die Gründe für den Rücktritt hätten auch mit ihrem hohen Maß an Integrität und Anspruch an sich selbst zu tun. Frauen neigten in solchen Situationen eher zu einer moralischen Lösung und ließen sich leichter verunsichern. Sie sei der Überzeugung, dass die Mehrheit der Männer wegen einer solchen Sache nicht zurückgetreten wäre. Darüber hinaus bewerte die Gesellschaft Alkoholkonsum immer noch unterschiedlich: «Ein Mann, der trinkt, der ist fidel. Dagegen frage man sich bei einer Frau: Hat die Kummer? Was säuft die denn da weg?»

Der Rücktritt spaltet unterdessen die Deutschen. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des RTL-Mittagsmagazins «Punkt 12» ergab, dass 50 Prozent der Menschen die Entscheidung der EKD-Chefin als richtig bewerten. Immerhin 48 Prozent hätten Käßmann, die mit 1,54 Promille Blutalkohol mit ihrem Dienstwagen gefahren war, lieber weiter im Amt gesehen. In einer von N24 in Auftrag gegebenen emnid-Umfrage sagten 52 Prozent der Befragten, Käßmanns Entscheidung sei falsch. Nur 45 Prozent halten ihren Rücktritt für richtig. Die Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) glaubt, dass das persönliche Ansehen der Theologin beschädigt ist. Das Ansehen der Kirche habe dagegen nicht gelitten, glauben 69 Prozent der Deutschen.

Kirchen / Kriminalität
25.02.2010 · 17:29 Uhr
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