Die Zukunft der deutschen Autoindustrie wackelt: Drei Szenarien und wenig Hoffnung
Die fetten Jahre der deutschen Autoindustrie sind vorerst vorbei. Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts erzielten die Autohersteller im ersten Halbjahr 2024 einen Umsatz von 269,5 Milliarden Euro, was einem Rückgang von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht.
Die Automobilproduktion im Inland sank sogar um sechs Prozent, sodass nur noch knapp 2,1 Millionen Fahrzeuge vom Band liefen. Die Branche, die einst das Rückgrat der deutschen Wirtschaft war, kämpft mit strukturellen Veränderungen und einer schwachen Marktlage.
Ein hausgemachtes Problem?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beschreibt die Situation als „herausfordernd“. Einige Probleme sieht er als „hausgemacht“ – etwa durch Fehlentscheidungen in der Unternehmenspolitik. Unklar bleibt, ob die sinkenden Verkaufszahlen allein auf die hohe Inflation zurückzuführen sind oder ob sie tiefere Ursachen haben.
Viele Experten vermuten, dass der Automobilsektor vor einem strukturellen Wandel steht, bei dem sich das Nutzungsverhalten der Verbraucher ändert und alternative Mobilitätsformen attraktiver werden.
Im Vergleich zu 2019 sind die Neuzulassungen von Fahrzeugen um 23 Prozent eingebrochen. Analysten von EY gehen davon aus, dass die Branche von einer nachhaltigen Erholung weit entfernt ist.
Die schwache Wirtschaftslage und die schlechte Stimmung sowohl bei Unternehmen als auch bei Verbrauchern setzen der Autoindustrie massiv zu. Zudem haben Autohersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen bereits Gewinnwarnungen ausgegeben – ein düsteres Zeichen für den Rest des Jahres.
Drei mögliche Wege in die Zukunft
Angesichts der Unsicherheiten hat die Unternehmensberatung McKinsey drei Szenarien für die Zukunft der europäischen Autoindustrie bis zum Jahr 2035 errechnet.
Der positive Verlauf sieht vor, dass die Industrie es schafft, ihre Marktanteile zu halten oder leicht auszubauen und gleichzeitig 75 Prozent der Wertschöpfung bei Batterien in Europa zu generieren. In diesem Fall könnte die Branche ihre Bruttowertschöpfung von derzeit 1.730 Milliarden Euro auf 2.200 Milliarden Euro jährlich steigern.
Die pessimistischen Szenarien sind jedoch weitaus realistischer: Sollte die europäische Autoindustrie weiter Marktanteile an internationale Konkurrenten verlieren, könnte die Wertschöpfung um bis zu ein Drittel schrumpfen. Im mittleren Szenario wäre ein Rückgang um elf Prozent wahrscheinlich – selbst wenn die Batterieproduktion in Europa ausgebaut wird.
Wertschöpfungsverluste durch E-Mobilität?
Eine der größten Herausforderungen für die europäische Autoindustrie liegt im Wandel zur Elektromobilität. Laut McKinsey geht der Anteil der europäischen Wertschöpfung bei Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern deutlich zurück, insbesondere weil viele Batterien aus Asien importiert werden.
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Während ein in Europa produzierter Verbrenner 85 bis 90 Prozent seines Listenpreises zur europäischen Wertschöpfung beiträgt, sind es bei Elektroautos nur 70 bis 75 Prozent. Bei importierten Fahrzeugen sinkt der Wertschöpfungsanteil sogar auf 15 bis 20 Prozent.
Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?
Die Autoindustrie trägt nach wie vor maßgeblich zur deutschen Wirtschaft bei. Auch wenn der Umsatz im ersten Halbjahr 2024 zurückgegangen ist, generiert die Branche immer noch ein Viertel des Gesamtumsatzes der Industrie.
Eine Erholung des Autogeschäfts würde somit auch der Gesamtwirtschaft zugutekommen. Doch dafür müsste die Branche den Wandel zur Elektromobilität erfolgreich meistern – und hier sind viele Fragen offen.