Deutschland und die militärische Aufrüstung: Kritik aus Kiel
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel sieht Deutschlands Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als zu langsam an. "Russland erwächst zu einer immer größeren Sicherheitsbedrohung für die Nato", erklärte Guntram Wolff vom IfW. Trotz dieser Bedrohung sei die deutsche Aufrüstung nur schleppend in Gang gekommen. Wolff betonte, dass eine deutliche und sofortige Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erforderlich sei, um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten. Der gegenwärtige Kurs sei fahrlässig und verantwortungslos angesichts der Aggression Russlands.
Laut dem aktuellen "Kiel Report" des IfW hat Deutschland erst 2023 damit begonnen, seine Verteidigungsausgaben substanziell zu erhöhen. Seitdem wurden Militärbeschaffungen im Wert von rund 90 Millionen Euro getätigt. Der Report, der alle veröffentlichten deutschen Militärbeschaffungen seit 2020 dokumentiert, zeigt jedoch, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die an die Ukraine gelieferten Waffen adäquat zu ersetzen.
Die Bestände an militärischen Geräten haben in den letzten 20 Jahren drastisch abgenommen: Die Anzahl der Kampfflugzeuge sank von 434 im Jahr 2004 auf 226 im Jahr 2021, die der Kampfpanzer von 2.398 auf 339 und die der Haubitzen von 978 auf 121. Das IfW prognostiziert, dass es beim aktuellen Beschaffungstempo Jahrzehnte dauern wird, diese Bestände wieder auf das Niveau von 2004 zu bringen: 15 Jahre für Kampfjets, 40 Jahre für Kampfpanzer und sogar bis ins Jahr 2121, um den Haubitzenbestand zu erreichen.
Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel, kritisierte scharf, dass die von der Ampelregierung angekündigte „Zeitenwende“ bislang nur eine Worthülse sei. Frieden könne nur durch glaubhafte militärische Fähigkeiten sichergestellt werden. Schularick forderte daher ein jährliches Verteidigungsbudget von mindestens 100 Milliarden Euro, um die notwendigen militärischen Kapazitäten aufbauen zu können.