Deutsche Industrie unter Druck: Chinas Aufholjagd bedroht traditionelle Stärken
Der Wettbewerb zwischen der deutschen und der chinesischen Industrie hat sich dramatisch zugunsten Chinas verschoben. Während die deutschen Exporte im letzten Jahr laut dem Statistischen Bundesamt um 1,7 Prozent auf etwa 1,65 Billionen Euro zurückgingen, vermeldete China ein Exportwachstum von 7,1 Prozent, das sich auf über drei Billionen Euro (25,4 Billionen Yuan) belief. Diese Entwicklung, die keine Ausnahmeerscheinung ist, stellt die deutsche Industrie vor neue Herausforderungen. Ökonomen weisen darauf hin, dass insbesondere die aggressiven Preiskämpfe und Überkapazitäten auf dem chinesischen Heimatmarkt der deutschen Industrie zunehmend zu schaffen machen.
In diesem Kontext stellt sich der einstige Erfolgsmarkt China für Deutschland zunehmend als Risikofaktor dar. Selbst prominente Branchen wie die Automobilindustrie verzeichnen deutliche Rückgänge. Der VW-Konzern etwa musste im letzten Jahr einen Rückgang der globalen Auslieferungen um 15 Prozent feststellen und verkaufte in China fast 1,3 Millionen Autos weniger als noch vor sechs Jahren. Dieses Phänomen trifft nicht nur Volkswagen, sondern auch andere deutsche Hersteller, die von chinesischen E-Auto-Unternehmen abgehängt wurden.
Langfristig hat China klare technologische Ambitionen, bis 2049, dem hundertjährigen Bestehen der Volksrepublik, zur globalen Technologieführerschaft aufzusteigen. Experten wie Philipp Böing von der Goethe-Universität Frankfurt und dem ZEW Mannheim betonen, dass trotz ineffizienter politischer Maßnahmen eine effektive Umsetzung stattfand. Diese Strategie der Selbststärkung, "ziqiang", die China bereits im zweiten Anlauf erfolgreich umsetzte, zeigt nun ihre Wirkung.
Der technische Vorsprung in Bereichen wie der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz unterstreicht Chinas wachsenden Einfluss. Gleichzeitig kämpft die deutsche Industrie mit hohen Energiekosten, die energieintensive Branchen besonders belasten. Jens Burchardt von BCG mahnt, dass nur die Anpassung an Elektromobilität den deutschen Automobilherstellern helfen kann, ihre Marktstellung zu behaupten, bevor chinesische Wettbewerber ihnen auch in anderen technischen Bereichen den Rang ablaufen.
Die Kehrseite des rasanten chinesischen Wachstums liegt in der massiven Verschuldung des Privatsektors, die mittlerweile über 300 Prozent des BIP ausmacht. Diese Strategie, mit hohen Skalierungen potenzielle Profite zu erzielen und Wettbewerber in Schach zu halten, könnte auf lange Sicht eine große Finanzkrise heraufbeschwören.
Abschließend bleibt die Frage, wie der Technologiewettbewerb zwischen China und dem Westen, der durch Handelskonflikte weiter angeheizt wird, letztlich ausgehen wird. Ökonom Philipp Böing ist der Ansicht, dass dieser Wettbewerb über den Erfolg des Systemwettbewerbs zwischen den Großmächten entscheiden wird.